Rechtzeitig zum Beginn der sommerlichen Urlaubssaison gehen auch die Proteste gegen den Massentourismus wieder los, wie es sie bereits seit Jahren in besonders beliebten Urlaubsdestinationen Italiens, Portugals vor allem aber Spaniens gibt. Am 15. Juni ist es so weit. Die Plattform Sur de Europa contra la Turistización (Südeuropa gegen die Touristifizierung) kündigte Aktionen unter anderem in Venedig, Mailand und Lissabon, San Sebastián, Valencia und Barcelona sowie auf den Balearen-Inseln an.
Besonders gut organisiert ist die Protestbewegung in der nordspanischen Stadt Barcelona, wo es in der Vergangenheit bereits mehrfach Großdemonstrationen mit tausenden Teilnehmern gegeben hatte sowie aufsehenerregende Protestaktionen: Zuletzt blockierten dort Aktivisten im April vor der wichtigsten Urlauberattraktion der Stadt, der Sagrada Família, einen vollbesetzten Touristenbus und beschossen die verdutzten Urlauber mit Wasserpistolen.
"Der heutige Tourismus in Barcelona ist nicht kompatibel mit dem Leben der einheimischen Bevölkerung", sagt Daniel Pardo, Mitglied der Bürgervereinigung Assamblea de Barris pel Decreixement Turístic (Versammlung der Stadtviertel für die Schrumpfung des Tourismus), die seit Jahren an der Organisation tourismuskritischer Aktionen beteiligt ist. Lärmbelästigung, Luftverschmutzung, überfüllte Straßen – es führe kein Weg daran vorbei, den Tourismus in Barcelona zu reduzieren, so Pardo. "Der Moment, in dem noch ein halbwegs vernünftiges Gleichgewicht herrschte, liegt schon lange zurück."
Der Tourismus sichert 150.000 Arbeitsplätze
30 Millionen Besucher strömen jährlich in die Stadt. Unter den Touristen sind vor allem Reisende aus Italien, Frankreich, Großbritannien, Deutschland – schon auf Rang fünf aber liegen die US-Amerikaner. Angaben der Stadtverwaltung zufolge erwirtschaftet die Tourismusindustrie rund 14 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der 1,7-Millionen-Stadt und sichert 150.000 Arbeitsplätze.
"Ja, das wird immer angeführt als Argument, dass man sich nicht beklagen dürfe", sagt Pardo. "Wir beklagen uns aber!" Viele Arbeitsverhältnisse im Tourismus seien prekär, die dort gezahlten Löhne unterdurchschnittlich. "Letztendlich lässt die Abhängigkeit vom Tourismus die Bevölkerung verarmen."
Ganz ähnlich klingt das auf der rund 200 Kilometer entfernt gelegenen Mittelmeerinsel Mallorca. Auch dort sind für den 15. Juni Protestveranstaltungen geplant. Das Motto: "Für das Recht auf ein würdevolles Leben: Stoppen wir die Touristifizierung." Die Kritik, die die Aktivisten vorbringen, ähnelt sich im ganzen Land: in Barcelona, auf den Balearen, in Andalusien, im Baskenland, auf den kanarischen Inseln. Ganz oben auf der Mängelliste steht die Ferienvermietung, die seit Jahren zunimmt und eine Mitschuld an den zuletzt extrem gestiegenen Mieten trägt, wie Kritiker argumentieren.
Immer mehr Einheimische ziehen fort
Aber nicht nur das: In den bei Touristen besonders beliebten Altstädten verschwindet auch der traditionelle Einzelhandel. Vielerorts ist es einfacher, eine Eisdiele oder einen Waschsalon zu finden als einen Bäcker oder ein Lebensmittelgeschäft. Immer mehr Einheimische fühlen sich fremd und ziehen fort.
"Der Tourismus vertreibt uns aus unseren Häusern, aus unseren Dörfern und Stadtvierteln", heißt es bei der Bürgerplattform Menys Turisme, més vida ("Weniger Tourismus, mehr Leben"), die den Anti-Tourismus-Protest auf Mallorca organisiert. "Vor einem Jahr gingen Tausende auf die Straße, um zu sagen: Es reicht!" Passiert sei seitdem aber nichts.
Tatsächlich steuert Spanien auch in diesem Jahr auf einen neuen Touristenrekord zu. 2024 kamen fast 94 Millionen internationale Reisende ins Land. Damit liegt Spanien weltweit auf Rang zwei hinter Frankreich.
Zumindest gibt es mittlerweile Versuche, die Ferienvermietung strenger zu regulieren. Die Zentralregierung in Madrid verpflichtete kürzlich die entsprechenden Anbieter dazu, ihre Immobilien in ein neu geschaffenes Register einzutragen. Auf diese Weise sollen illegale Angebote verhindert werden. Mitte Mai dann forderte das spanische Verbraucherschutzministerium die Plattform Airbnb auf, insgesamt 65.000 Wohnungsanzeigen zu löschen, weil die vorgeschriebene Registrierungsnummer nicht angegeben war.
Barcelona wirbt mit neuem Slogan
In Barcelona wiederum kündigte die Stadtverwaltung an, die Ferienvermietung bis zum Jahr 2028 komplett abschaffen zu wollen. Auslaufende Lizenzen sollen nicht mehr erneuert werden. Alles in allem aber sei der Tourismus eine der tragenden Säulen der Wirtschaft und sein Wachstum habe eine wichtige Rolle bei der ökonomischen Belebung der Stadt gespielt, heißt es in einem kürzlich veröffentlichten Strategiepapier.
Jordi Valls, der Tourismusdezernent im Rathaus der Stadt, räumt aber ein, dass der Tourismus in Barcelona nicht weiter wachsen könne. "Wir stoßen an unsere Grenzen", sagt er. Deshalb wolle man auch die Zahl der Kreuzfahrtschiffe reduzieren, die im Hafen festmachen.
Die Marketinggesellschaft der Stadt wiederum änderte kürzlich ihren Slogan. Statt Visit Barcelona heißt es nun This is Barcelona. Man wolle künftig stärker die Eigenheiten der Stadt hervorheben, so die Erklärung.
Von einer Schrumpfung des Tourismus aber sei man in Barcelona noch weit entfernt, sagt der Aktivist Daniel Pardo. "Wenigstens traut sich kein Politiker mehr, ganz offen ein weiteres Wachstum zu fordern." Das aber reiche bei weitem nicht aus. "Wir brauchen eine echte Debatte über die Grenzen des Tourismus." Diese anzustoßen, dabei sollen nun die erneuten Proteste helfen.