Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die Partei Alternative für Deutschland Anfang Mai als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft. Dagegen geht die AfD juristisch vor. Der Verfassungsschutz hat die Einstufung deshalb erstmal auf Eis gelegt, hält aber an seiner inhaltlichen Einschätzung fest. Aber die Brandmarkung als rechtsextrem hat die Debatte über ein Verbot der Partei neu angeheizt.
Wie sieht es in anderen europäischen Ländern bei ähnlichen Parteien aus? Von Verboten ist dort nirgendwo die Rede. Im Gegenteil, in einigen Ländern sind solche Parteien an Regierungen beteiligt oder führen sie sogar.
Österreich: Freiheitliche Partei Österreichs
Der österreichische Bundeskanzler Christian Stocker von der konservativen ÖVP sieht die FPÖ von Herbert Kickl nicht als rechtsextrem und kennt auch keine Brandmauer, wie sie in Deutschland andere Parteien zur AfD hochgezogen haben. Kein Wunder, hat die ÖVP doch schon zweimal Koalitionsregierungen mit der FPÖ gebildet, das erste Mal bereits im Jahr 2000. Das war damals in der EU ein Skandal, die übrigen EU-Staaten beschränkten ihre Kontakte zur Wiener Regierung für einige Monate auf ein Mindestmaß.
Die FPÖ ist eine relativ alte Partei in der österreichischen Parlamentsgeschichte. Sie wurde 1955 von ehemaligen Nazis gegründet, hat sich später aber gemäßigt. Wie die AfD ist die FPÖ einwanderungs-, globalisierungs- und EU-kritisch. Vielleicht wegen ihrer zahlreichen Regierungsbeteiligungen, auch auf Landesebene, gibt sich die FPÖ aber kompromissbereiter und weniger ideologisch. Im vergangenen Jahr wurde sie bei der Parlamentswahl erstmals stärkste Kraft. Trotzdem gelang es ihr nicht, wieder eine Koalition mit der ÖVP zu bilden. Allerdings liegt sie inzwischen in den Umfragen noch stärker in Führung als bei der Wahl.
Frankreich: Rassemblement National
Der Rassemblement National (deutsch: Nationale Sammlungsbewegung) hat seit der Gründung 1972 einen langen Weg zurückgelegt. Marine Le Pen, Tochter von Parteigründer Jean-Marie Le Pen, hat den Front National umbenannt und - ein wenig - in die Mitte geführt. So ist die Partei zwar nach wie vor einwanderungs- und islamkritisch, aber gibt sich heute nicht mehr antisemitisch. Dieser Kurs hat ihr neue Wählerschichten zugeführt. Dreimal kandidierte Le Pen bei Präsidentschaftswahlen, unterlag zwar spätestens in der Stichwahl, konnte ihren Stimmenanteil aber jeweils steigern. Bisher schließt ein Gerichtsurteil wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder Marine Le Pen für fünf Jahre von Wahlen aus. Sollte sie doch noch einmal antreten können oder Parteichef Jordan Bardella kandidieren, geben bisherige Umfragen ihr oder ihm gute Chancen, Sieger zumindest der ersten Runde zu werden. Bei der Parlamentswahl 2024 wurde der RN bereits stärkste Kraft.
Sehr französisch - und hier liegt ein deutlicher Unterschied zur AfD - ist der Hang des RN zum Protektionismus und Etatismus, also der Glaube an den Staat als großen Problemlöser. Von der AfD hat sich Le Pen ohnehin distanziert. Angeblich ist ihr die deutsche Partei zu radikal, aber das könnte ein innenpolitischer Schachzug sein, um seriöser zu erscheinen.
Italien: Fratelli d'Italia
An der Spitze der Brüder Italiens steht ausgerechnet eine Frau, und Giorgia Meloni ist die wohl erfolgreichste Regierungschefin der radikalen Rechten in Europa. Viele Fratelli sehen den Faschismus, die italienischen Spielart des Nationalsozialismus, durchaus positiv. Giorgia Meloni hat einmal gesagt, sie habe "ein unbeschwertes Verhältnis zum Faschismus", und der einstige faschistische Regierungschef und Hitler-Verbündete Benito Mussolini sei "ein guter Politiker" gewesen.
Im Wahlkampf 2022, der ihre Partei an die Macht brachte, lautete ihr Slogan "Gott, Familie und Vaterland". Vor allem gesellschaftspolitisch sind Meloni und ihre Partei radikal rechts: Sie wettern gegen Abtreibungen, Homosexuelle und LGTBQ - gegen Migranten sowieso. Doch im Gegensatz zu vielen ähnlich gestrickten Politikern Europas bezieht Meloni klar Stellung gegen Russland im Ukraine-Krieg. Vor allem deswegen sprach sie auch von "unüberbrückbaren Differenzen" zur AfD. Gleichzeitig hat Meloni ein enges Verhältnis zu US-Präsident Donald Trump und wird deshalb in Brüssel als transatlantische Vermittlerin geschätzt.
Schweden: Sverigedemokraterna
Die Wurzeln der Schwedendemokraten liegen in der rechtsextremistischen Bewegung Bevara Sverige Svenskt (deutsch etwa: "Schweden soll schwedisch bleiben"). Kurz vor der Jahrtausendwende versuchte die Partei, sich von ihrem alten Milieu zu lösen und gemäßigter aufzutreten. Der jetzige Parteichef Jimmie Akesson setzt diesen Kurs fort und hat erreicht, dass die Schwedendemokraten bei der Reichstagswahl 2022 zweitstärkste Kraft wurden. Die Partei unterstützt seitdem die Minderheitsregierung des konservativen Regierungschef Ulf Hjalmar Kristersson.
Wichtigstes Thema ist - wie in anderen Ländern auch - die Einwanderung. Vor allem die in Schwedens Großstädten verbreitete Bandenkriminalität hat den Schwedendemokraten dort große Wahlerfolge beschert. Untypisch für eine Partei ihrer Ausrichtung ist dagegen, dass sie sich inzwischen zum Klimaschutz bekennt.
Niederlande: Partij voor de Vrijheid
Seit der Parlamentswahl 2023 ist die Partei für die Freiheit von Geert Wilders stärkste Kraft und führt zusammen mit drei anderen Parteien eine Koalitionsregierung. Weil den Partnern Wilders zu radikal war, wurde der parteilose Dick Schoof Ministerpräsident. Die PVV ist insofern ein Unikum, als Wilders das einzige Parteimitglied ist, selbst Abgeordnete und Minister sind offiziell nur Unterstützer der Partei. Dadurch kann Wilders auch das Parteiprogramm allein bestimmen und Kandidaten für Wahlen selbst ernennen.
Schwerpunkt der PVV ist der Kampf gegen Einwanderung und vor allem gegen den Islam. Besonders weit geht Wilders mit seinem Ziel, den Koran und alle neuen Moscheebauten zu verbieten. Vor der jüngsten Wahl sagte Wilders allerdings, er werde seine Ansichten über den Islam "in die Gefriertruhe" legen, um regieren zu können. Ansonsten macht er gegen Klimaschutz und gegen eine als übergriffig empfundene EU mobil.
Großbritannien: Reform UK Party
Die Partei hat eine mehrfache Wandlung hinter sich: Aus einer Abspaltung der UK Independence Party, deren Hauptziel der Brexit, also der Austritt Großbritanniens aus der EU war, wurde die Brexit Party. Als das Ziel Brexit erreicht war, wurde sie in Reform UK Party umbenannt. Die entscheidende Rolle spielte jedesmal Nigel Farage, Schreckgespenst der etablierten britischen Politik.
Inzwischen hat sich die Partei vor allem eine drastische Senkung der Einwandererzahlen auf die Fahnen geschrieben - und treibt damit die regierende Labour-Partei, aber auch die Konservativen vor sich her. Beiden wirft Farage Untätigkeit vor. Mit Erfolg: Labour-Premier Keir Starmer hat jüngst versprochen, sowohl die illegale wie die Arbeitsmigration drastisch zu senken, nur Tage nach dem guten Abschneiden von Reform UK bei Kommunalwahlen. Nach jüngsten landesweiten Umfragen liegt Reform UK sogar knapp vor Labour und den Konservativen. Das offizielle britische Ziel der Klimaneutralität nennt Vizeparteichef Richard Tice "absurd".