Item 1 | |||
Id | 72876914 | ||
Date | 2025-06-12 | ||
Title | Türkei: Diyanet darf Koranübersetzungen zensieren | ||
Short title | Türkei: Diyanet darf Koranübersetzungen zensieren | ||
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Die türkische Religionsbehörde Diyanet kann nun Koranübersetzungen verbieten, die ihrer Ansicht nach nicht den Grundsätzen des Islam entsprechen. Das sorgt für Kritik und schürt Sorgen um die Glaubensfreiheit. Die Diyanet ist eine der einflussreichsten Behörden in der Türkei. Nach eigenen Angaben beschäftigt sie über 140.000 Mitarbeiter und bietet ihre religiösen Dienste in mehr als 100 Ländern weltweit an. Die im Jahr 1924 gegründete Behörde untersteht seit 2018 direkt dem islamisch-konservativen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Ihr Jahresbudget von etwa drei Milliarden Euro übertrifft sogar die Etats mehrerer Ministerien, darunter das türkische Innenministerium. Die Diyanet verwaltet landesweit 90.000 Moscheen, organisiert jährliche Pilgerfahrten, koordiniert Schächtungen zum Opferfest und richtet Korankurse sowie Kulturveranstaltungen aus. Sie bildet auch Imame aus und entsendet diese sowohl ins Inland als auch ins Ausland. Ihre Stiftung ist in 150 Ländern aktiv und erreicht Millionen von Menschen durch Bildungsangebote und Stipendien, von Fernost bis Lateinamerika. Diyanet erhält Deutungshoheit über KoranübersetzungenIn den letzten Jahren wurden die Befugnisse der Diyanet kontinuierlich erweitert. Nun hat sie auch die Deutungshoheit über Koranübersetzungen erhalten. Ein kürzlich verabschiedetes Gesetz ermächtigt sie, Koranübersetzungen zu prüfen. Falls diese "den Grundcharakteristika des Islam nicht entsprechen", dürfen sie verboten werden. Bereits veröffentlichte "problematische Exemplare" können eingezogen und vernichtet werden. Dies gilt auch für digitale Inhalte wie Texte, Audio- und Videoaufnahmen im Internet. Staatspräsident Erdogan hatte der Diyanet diese Kompetenz bereits früher per Dekret erteilt, was dazu führte, dass sie einige Übersetzungen als "unwahrheitsgemäß" einstufte. Das hielt jedoch vor dem Verfassungsgericht nicht stand. Mit dem neuen Gesetz ist diese Macht nun rechtlich verankert und damit nicht mehr verfassungswidrig. Kritiker: "Bankroterklärung des türkischen Staates"Regierungskritische Theologen sprechen von Zensur und von einem "vom Staat diktierten Islam", der die Glaubensfreiheit in Gefahr bringe. Für den bekannten Theologen Prof. Dr. Sönmez Kutlu ist dieser Schritt eine Bankroterklärung des Staates. Seiner Meinung nach sollte ein Land mit über 100.000 Diyanet-Mitarbeitern und mehr als 100 Theologiefakultäten in der Lage sein, den Koran vor sogenannten problematischen Übersetzungen nicht durch Verbote, sondern durch intellektuelle und wissenschaftliche Methoden zu schützen. Er warnt zudem davor, dass Publikationen, die übersetzte Koranverse enthalten, die angeblich den "grundlegenden Merkmalen des Islam widersprechen", auch zu Ermittlungen und Strafverfolgungen führen könnten. Der Theologe Ihsan Eliacik sieht in der neuen Befugnis der Diyanet eine grundsätzliche Verletzung des Islam. "Im Islam", so Eliacik, "dürfe sich keine Institution zwischen den Menschen und Allah stellen. Die Überprüfung des Korans auf 'Wahrheitsmäßigkeit' durch die Diyanet tue aber genau dies." Eliaciks eigene Koranübersetzung wurde zuvor von der Diyanet als problematisch eingestuft und verboten. Er klagte vor dem Verfassungsgericht und bekam Recht. Mit der neuen gesetzlichen Verankerung ist dies nun nicht mehr möglich. Eliacik, Kutlu und weitere regierungskritische Theologen wurden in den letzten Jahren immer wieder Zielscheibe von Diskreditierungskampagnen durch regierungsnahe Bruderschaften und islamistische Orden. Wachsender Einfluss religiöser Orden in der TürkeiÖmer Özsoy, Professor für Theologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, vermutet hinter dem neuen Gesetz den wachsenden Einfluss genau dieser Gemeinschaften auf die Regierung. "Diese Kreise wenden sich seit etwa einem Jahrzehnt offen gegen die wissenschaftliche, kritische und pluralistische Theologie an den islamisch-theologischen Fakultäten der Türkei", so Özsoy. Er beobachte, wie diese "seit geraumer Zeit systematische Kampagnen gegen profilierte Theologen führten. Özsoy befürchtet, dass das neue Gesetz in einer "repressiven und politisch motivierten Auslegung" breit zur Anwendung kommen könnte. "Übersetzerkollegen berichten, dass die Diyanet bereits die Beschlagnahmung von insgesamt zwölf Übersetzungen vorbereitet hat, darunter auch solche von Mustafa Öztürk und Edip Yüksel", fügt er hinzu. Die Rolle der KoranübersetzungenDer Koran, das heilige Buch der Muslime, ist in arabischer Sprache verfasst. Übersetzungen sind unerlässlich, um die Texte Millionen von Menschen zugänglich zu machen. Doch sie beinhalten auch Interpretationen, insbesondere bei vieldeutigen Wörtern oder Stellen. Deshalb ist das Thema sehr sensibel. Die Bedeutung von Koranübersetzungen in nicht-arabischsprachigen Ländern wie der Türkei hat in den letzten Jahren zugenommen. Früher, so erklärt Theologieprofessor Özsoy, "oblag die Auseinandersetzung mit dem Koran den religiösen Gelehrten." Heute sei es jedoch anders, so der Theologe. "Heute lesen die gläubigen Laien den Koran direkt und interpretieren eigenständig". Ihm zufolge liegt das an der Individualisierung, dem kritischen Denken und dem Aufkommen verschiedener Bewegungen und Strömungen. Laut Özsoy hat die Zahl der türkischen Koranübersetzungen in den letzten Jahrzehnten zugenommen. Unter den Übersetzenden seien viele Personen ohne die erforderliche fachliche Qualifikation. Dieses Problem werde in der Fachwelt breit diskutiert , es gebe hierzu umfangreiche wissenschaftliche Literatur. Zum Ärger Erdogans: immer mehr Nichtgläubige in der TürkeiDie Religion steht in der Türkei immer öfter im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Diskurses. Vor allem junge Menschen lesen die heiligen Schriften und diskutieren über den Islam und stellen viele Thesen in Frage, was der Regierung Sorge bereitet. So betont Präsident Erdogan seit geraumer Zeit, eine "fromme Generation" erziehen zu wollen. Jüngste Untersuchungen des Meinungsforschungsinstituts Konda zeigen jedoch das Gegenteil: Der Anteil der sich als religiös bezeichnenden Menschen sank von 55 Prozent im Jahr 2018 derzeit auf 46 Prozent, während der Anteil der Atheisten oder Nichtgläubigen im gleichen Zeitraum von zwei auf acht Prozent stieg. |
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Short teaser | Diyanet kann jetzt Koranübersetzungen verbieten, die nicht den Grundsätzen des Islam entsprechen. Das sorgt für Kritik. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/türkei-diyanet-darf-koranübersetzungen-zensieren/a-72876914?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Item 2 | |||
Id | 72876147 | ||
Date | 2025-06-11 | ||
Title | USA: Donald Trump treibt "seine Macht bis an die Grenze" | ||
Short title | USA: Donald Trump treibt "seine Macht bis an die Grenze" | ||
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Ob er das Militär gegen Demonstranten in Los Angeles einsetzt oder klare Anordnungen von Bundesrichtern ignoriert: Präsident Donald Trump bringt demokratische Grundpfeiler in den USA ins Wanken. Die Anspannung in Los Angeles, wo tausende Menschen seit Tagen gegen das Vorgehen der US-Einwanderungsbehörde demonstrieren, bleibt hoch. Eine von der Bürgermeisterin der Stadt verhängte nächtliche Ausgangssperre sorgte in der Nacht auf Mittwoch für ein wenig Ruhe. Aber die Zeichen stehen nicht auf Deeskalation. Auf die Nationalgarde, die US-Präsident Donald Trump am Samstag nach Los Angeles schickte, folgen nun 700 Soldaten der US-Marine - einem Teil der US-Streitkräfte, der bekannt ist als schnelle Eingreiftruppe und Elite-Einheit des Militärs. Die Soldatinnen und Soldaten sollen laut einer Sprecherin des US-Militärs dabei helfen, Gebäude und Angestellte der Bundesregierung zu schützen, unter anderem die der Einwanderungsbehörde ICE (Immigration and Customs Enforcement). Seit Freitag gehen Menschen im Süden Kaliforniens auf die Straße, um dagegen zu protestieren, wie ICE-Agenten Razzien im öffentlichen Raum durchführen, um Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere aufzuspüren und sie abzuschieben. Teilweise werden irreguläre Migranten und Migrantinnen auch von vermummten ICE-Teams direkt von der Straße weg verhaftet. Das alles ist Teil der strikten Einwanderungspolitik der Trump-Regierung. Die soll nun mit Hilfe des Militärs verteidigt werden. Mehr Rechte für den Präsidenten im SonderfallDabei kann der US-Präsident im Normalfall nicht einfach Nationalgarde oder Marine in einen beliebigen Bundesstaat schicken. Normalerweise muss der Befehl für den Einsatz von der Führung des betroffenen Bundesstaates kommen. In Kalifornien lehnte der demokratische Gouverneur Gavin Newsom den Einsatz der Bundestruppen ausdrücklich ab und hat Klage eingereicht. In besonderen Fällen darf aber der US-Präsident Militäreinheiten in einen Bundesstaat berufen, in dem ein Aufstand gegen die Autorität der nationalen Regierung im Gange ist, auch ohne den zuständigen Gouverneur zu verständigen. Das besagt der "Insurrection Act" (Aufstandsgesetz) von 1807. Der von Präsident Trump veranlasste Militäreinsatz in Kalifornien ist trotzdem ungewöhnlich, schließlich gilt die Autonomität der 50 Bundesstaaten als hohes Gut - zu sehen schon im Namen der "Vereinigten Staaten von Amerika". Gouverneur Newsom spricht von Machtmissbrauch und warnt, die US-Demokratie sei durch Trumps Handeln in Gefahr. "Kalifornien mag als erstes dran sein, aber das ist ganz offensichtlich nicht das Ende", sagte Newsom in einer Fernsehansprache am Dienstagabend. "Andere Bundesstaaten sind als nächstes dran. Die Demokratie ist als nächstes dran." Trump widersetzt sich der eigenen JudikativeTatsächlich hat sich Trump in den ersten knapp fünf Monaten seiner zweiten Amtszeit schon mehrfach auf Kollisionskurs mit den demokratischen Institutionen seines Landes befunden. Da sind beispielsweise die Deportationen, die Trump gegen klare richterliche Anordnungen durchsetzte. Seit März schob er mehr als 250 angebliche Terroristen, die keine US-Staatsbürger sind, nach El Salvador ab. Die Flüge, die die Migranten in ein berüchtigtes Gefängnis in dem zentralamerikanischen Staat brachten, starteten trotz des vorläufigen Abschiebestopps eines Bundesrichters. Dabei berief sich Trump, wie auch beim Militäreinsatz in Los Angeles, auf ein Jahrhunderte altes Gesetz. Dieses Mal handelte es sich um den "Alien Enemies Act" von 1798, der es dem Präsidenten erlaubt, Ausländer einer "feindlichen Nation" abschieben, ohne übliche Verfahren vor Einwanderungsgerichten abzuwarten. Die Trump-Regierung behauptet, die Abgeschobenen seien Terroristen der venezolanischen Gang "Tren de aragua", somit sei Trumps Handlung rechtsgültig. Eigentlich ist die Judikative eine der drei Säulen der Macht in den USA, gemeinsam mit der Exekutive (dem Präsidenten) und der Legislative (dem US-Kongress). Die Gewaltenteilung zwischen diesen dreien bildet die Grundlage für die US-Demokratie. Es sieht danach aus, als könne Trumps Verhalten diese Teilung aufweichen. Im höchsten Gericht der USA, dem Supreme Court, sind mittlerweile sechs der neun Richter offen konservativ eingestellt, drei von ihnen hat Trump selbst benannt. Gute Voraussetzungen für Entscheidungen, die im Sinne des Präsidenten sind. Werden sich "Prinzipien der Demokratie" in den USA durchsetzen?Und was ist mit dem Kongress, dem legislativen Arm der Macht? An dem regierte Trump gleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit vorbei. Präsidiale Dekrete, die nicht erst das Repräsentantenhaus und den Senat, die zwei Kongresskammern, durchlaufen müssen, erlässt zwar jeder Präsident. Aber bei Trump waren es besonders viele: 161 in seiner zweiten Amtszeit bisher (Stand: 10. Juni 2025), mehr als jeder Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg. Und sie haben weitreichende Folgen, zum Beispiel für die Rechte der LGBTQ+ Community in den USA oder für den Welthandel. "Trump wird definitiv als derjenige in die Geschichte eingehen, der die Macht der Exekutive bis an ihre Grenzen trieb", schreibt Patrick Malone, Professor im Bereich öffentliche Verwaltung und Politik an der American University, in einer E-Mail an die DW. Es gebe beispielsweise Zweifel daran, ob es legal für den Präsidenten war, dass er im Namen der Effizienz Bundesagenturen schließen ließ und massenhaft Bundesangestellte feuerte, so Malone. "Mit der Frage der Legalität dessen, was dieser Präsident getan hat, werden sich die Gerichte jahrelang beschäftigen", sagt der Politologe. Und wie steht es dann um die demokratischen Institutionen der USA? Sie stehen unter erheblichem Druck, so Malone. Ein Problem: Die Gesetze der USA werde heute auf ein völlig anderes Land angewandt als das, in dem sie vor mehr als 200 Jahren entstanden sind. Der Experte ist aber auch optimistisch. "Institutionen sind generell nur sehr schwer zu Fall zu bringen", sagt Malone. "Hoffentlich werden sich die Prinzipien der Demokratie am Ende durchsetzen." |
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Short teaser | Präsident Donald Trump bringt die demokratischen Grundpfeiler in den USA ins Wanken. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/usa-donald-trump-treibt-seine-macht-bis-an-die-grenze/a-72876147?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Item 3 | |||
Id | 72874879 | ||
Date | 2025-06-11 | ||
Title | Polen: Tusk trotz gewonnener Vertrauensfrage angeschlagen | ||
Short title | Polen: Tusk trotz gewonnener Vertrauensfrage angeschlagen | ||
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Nach der Niederlage seines Kandidaten bei der Präsidentenwahl stellt Premier Donald Tusk die Vertrauensfrage als Befreiungsschlag. Trotz gewonnener Abstimmung bleibt seine Koalitionsregierung angeschlagen. Der proeuropäische polnische Regierungschef Donald Tusk bleibt im Amt. 243 von 453 anwesenden Abgeordneten des Sejm, des polnischen Parlaments, stimmten für ihn. Das waren alle 242 Mitglieder seiner Regierungskoalition und ein fraktionsloser Abgeordneter. 210 Parlamentarier stimmten gegen ihn. Mit der Vertrauensfrage wagte Tusk einen Befreiungsschlag. Er wollte seine Koalition disziplinieren und nach außen demonstrieren, dass er die Lage im Griff hat. Denn der überraschende Sieg des rechtskonservativen Historikers Karol Nawrocki bei der Präsidentenwahl hatte seine Mitte-Links-Regierung in eine tiefe Krise gestürzt. Der Kandidat der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski hatte in der Stichwahl am 1. Juni den liberalen Mitbewerber Rafal Trzaskowski geschlagen, einen Vertrauten des Premiers. Der von der Tusk-Partei Bürgerplattform (PO) aufgestellte Kandidat unterlag Nawrocki mit 49 zu 51 Prozent. Die Wahlschlappe wurde Tusk auch als seine persönliche Niederlage angelastet und stärkte die Fliehkräfte in der Koalition, die aus drei Parteien-Blöcken besteht. "Ist Tusk am Ende?", fragte das Nachrichtenmagazin "Newsweek" auf seiner Titelseite. Rechtskonservative PiS wittert ihre ChanceDie PiS, die im Dezember 2023 die Macht abgeben musste, witterte in der Krise ihre Chance. Kaczynski forderte den Rücktritt von Tusk sowie die Einberufung einer "technischen Experten-Regierung", obwohl verfassungsrechtlich gesehen die Präsidentenwahl keinen Einfluss auf die Regierung hat. "Ich kenne den Geschmack des Sieges und die Bitternis der Niederlage. Das Wort Kapitulation kenne ich allerdings nicht", sagte Tusk im Parlament. Schon am Tag nach der Wahlniederlage hatte er angekündigt, "keinen Schritt" zurückweichen zu wollen. Vor dem Votum im Parlament stimmte er die Regierung auf zweieinhalb Jahre schwerster Arbeit ein und versprach einen Umbau seines Kabinetts im Juli. Vor den Abgeordneten zählte Tusk die Erfolge seiner Regierung auf, darunter die Wiederherstellung des internationalen Ansehens von Polen, die erfolgreiche Bekämpfung der illegalen Migration und die Investitionen in die Verteidigung. Schwache Umfragewerte sind seiner Meinung nach eine Folge schlechter Informationspolitik. Im Sommer soll endlich ein Regierungssprecher ernannt werden. Bisher hat Tusk selbst die Arbeit seines Kabinetts mehr schlecht als recht erläutert. Regierung im UmfragetiefNach einer Umfrage vom Mittwoch (11.06.2025) bewerten 58 Prozent der Befragten Tusks Arbeit als Regierungschef negativ, 35 Prozent geben ihm eine positive Note. Auch die ganze Regierung hat mehr negative Bewertungen (44 Prozent) als positive (32 Prozent). Die Geschäftsordnung des Parlaments sieht vor der Vertrauensfrage keine Debatte, sondern nur Fragen der Abgeordneten vor. Mehr als 280 Parlamentarier machten von diesem Recht Gebrauch. Viele PiS-Parlamentarier beschuldigten Tusk, zu enge Verbindungen zu Deutschland zu unterhalten, was angeblich polnischen Interessen schade. "Sie dienen den deutschen, nicht den polnischen Interessen", sagte Ex-Volksbildungsminister Przemyslaw Czarnek und forderte Tusk auf, zurückzutreten. Der ehemalige Kulturminister Piotr Glinski warf der Regierung vor, wichtige Posten in Kulturinstitutionen mit Menschen zu besetzen, die die deutsche Erinnerungspolitik vertreten. Mehrere Parlamentarier kritisierten das Projekt Naturschutzgebiet Unteres Odertal als deutsches Komplott, um die Oder als Verkehrsader auszuschalten. Tusk bezeichnete die antideutschen Aussagen als "eine Phobie, die aber heilbar ist". Er schloss nicht aus, dass auch Polen bereits im Sommer zeitlich begrenzte Grenzkontrollen einführen werde. Schwere Zeiten für Donald TuskAuch wenn Tusk seine Koalition in den Griff bekommt, stehen ihm schwere Zeiten bevor. Der neue Präsident, der sein Amt am 6. August antritt, machte im Wahlkampf keinen Hehl daraus, dass er die Regierung, die er als schlechteste seit 1989 bezeichnet, zu Fall bringen will. Nawrocki wird wie sein Vorgänger Andrzej Duda die meisten Gesetze der Regierung mit seinem Veto blockieren und so die Arbeit der Koalition lähmen. Das Präsidialbüro will er zu einem Machtzentrum ausbauen, das innen- und außenpolitisch ein Gegengewicht zur Regierung bilden soll. "Es besteht die Gefahr, dass mit Nawrocki Polen eher mit Viktor Orban als mit Friedrich Merz zusammenarbeiten wird", sagte Lykke Friis, Vizechefin des Euopean Council on Foreign Relations (ECFR) im Gespräch mit der Zeitung Gazeta Wyborcza. Das Weimarer Dreieck, bestehend aus Polen, Deutschland und Frankreich, könnte durch die Visegrad-Gruppe (V4) ersetzt werden, die sich aus den vier Staaten Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn zusammensetzt. Neuer Präsident mit eigener AgendaIn seinem ersten Interview für die ungarische Zeitschrift Mandiner sprach sich Nawrocki für die stärkere Zusammenarbeit im Rahmen der V4 aus. Orban gehört zu seinen engsten Anhängern. Nawrocki hat bereits mit Donald Trump telefoniert und sich eine Einladung ins Weiße Haus gesichert. Die MAGA-Bewegung hat seinen Wahlkampf unterstützt. Die Ukraine muss befürchten, dass der neue Mann in Warschau skeptisch gegenüber ihren NATO- und EU-Ambitionen eingestellt ist. "Kaczynski und Nawrocki duzen sich und spüren eine geistige Verbindung. Der Hass gegen Tusk verbindet sie", schreibt Dominika Wielowiejska in der Gazeta Wyborcza. "Nawrocki will Rache an Tusk nehmen", betont die Publizistin. Die aktuelle Umfrage vom Mittwoch sieht den Verlust der Parlamentsmehrheit durch die Mitte-Links-Koalition und eine Mehrheit für den rechten Block PiS und Konfederacja. Die regulären Parlamentswahlen sollen aber erst im Herbst 2027 stattfinden. Ob die Mitte-Links-Regierung mit Tusk bis dahin überlebt oder sich die Fliehkräfte als stärker erweisen, ist offen. |
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Short teaser | Obwohl das polnische Parlament Donald Tusk sein Vertrauen ausgesprochen hat, bleibt der Premier angeschlagen. | ||
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Image caption | Ministerpräsident Donald Tusk hat die Vertrauensfrage gewonnen | ||
Image source | Marek Antoni Iwanczuk/SOPA Images/Sipa USA/picture alliance | ||
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Item 4 | |||
Id | 72857189 | ||
Date | 2025-06-11 | ||
Title | Europas Rechtsparteien im Aufwind | ||
Short title | Europas Rechtsparteien im Aufwind | ||
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Die in Teilen rechtsextreme Partei Alternative für Deutschland (AfD) ist in der deutschen Politik weitgehend isoliert. In anderen europäischen Ländern stellen ähnliche Parteien sogar die Regierung. Mit der AfD wollen die anderen Parteien in Deutschland nichts zu tun haben. Verschiedene Politiker fordern sogar ein Verbot der AfD. In anderen Ländern Europas ist das bei vergleichbaren Parteien völlig anders. Niederlande: Partij voor de VrijheidGeert Wilders' Partei für die Freiheit (PVV) hat die Viererkoalition unter Führung seiner Partei platzen lassen, weil sie bei Migration nicht hart genug durchgegriffen hat. "Wir wollen einen sofortigen totalen Asylstopp. Wir wollen, dass jeder, aber auch wirklich jeder Asylbewerber sofort an der Grenze zurückgewiesen wird", sagte Wilders. Für den nach seiner Ansicht drohenden "Untergang der Niederlande" habe seine Fraktion keine Verantwortung mehr tragen wollen. Jetzt soll es im Herbst Neuwahlen geben. Wilders' Partei war zwar stärkste Kraft bei der Parlamentswahl geworden, trotzdem wurde er nicht Regierungschef, weil er den Koalitionspartnern zu radikal war. Stattdessen wurde der parteilose Dick Schoof Ministerpräsident der Niederlande. Wenn es nur nach Wilders ginge, würde er den Koran und alle neuen Moscheen verbieten. Ansonsten macht er gegen Klimaschutz und gegen eine als übergriffig kritisierte EU mobil. Seine Partei beherrscht er vollkommen: Wilders ist einziges Parteimitglied, selbst Abgeordnete und Minister sind offiziell nur Unterstützer der PVV. Dadurch kann Wilders auch das Parteiprogramm allein bestimmen und Kandidaten für Wahlen selbst ernennen. Polen: Prawo i SprawiedliwośćDie Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterlag zwar bei den Parlamentswahlen Ende 2023; seitdem regiert der liberale frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk in Polen. Die PiS stellte aber den Staatspräsidenten, der mit seinem Veto die Regierungspolitik ausbremsen kann. Daran hat sich seit der Präsidentschaftswahl Ende Mai 2025 nichts geändert, denn die hat der von der PiS unterstützte Karol Nawrocki knapp gewonnen. Nawrocki hatte auch mit antideutschen und antieuropäischen Tönen Wahlkampf gemacht. Die PiS als Partei tritt in der EU aber eher vorsichtig auf - die Finanzflüsse aus Brüssel sind für das Land wichtig. Sie steht auch klar an der Seite der Ukraine im Krieg gegen Russland und befürwortet eine starke NATO-Präsenz als Schutz gegen den mächtigen Nachbarn. Migrationspolitisch vertritt sie dagegen die harten Positionen ihrer Geschwister anderswo in Europa. In gesellschaftlichen Fragen steht sie der katholischen Kirche in Polen nahe und spricht sich gegen die Legalisierung der Abtreibung sowie die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften aus. Ungarn: FideszDie Partei, offiziell Fidesz - Ungarischer Bürgerbund -, ist wohl europaweit die erfolgreichste Rechtsaußen-Partei. Mit ihrem Chef Viktor Orban war die Fidesz zwischen 1998 und 2002 und ist wieder seit 2010 ununterbrochen in Ungarn an der Macht. Dabei war die Partei 1988 kurz vor Ende des Kommunismus als radikalliberale Kraft gegründet worden und behielt diese Ausrichtung auch lange bei. Spätestens seit der von der damaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel 2015 ausgerufenen Willkommenskultur für Flüchtlinge schwenkten Orban und seine Fidesz aber nach rechts. Inzwischen steht die Partei ausdrücklich für eine illiberale Demokratie, sie sieht einen christlichen Westen durch Überfremdung bedroht und will den Einfluss der EU stark begrenzen. Einen menschenverursachten Klimawandel erkennt Fidesz im Gegensatz zu ähnlichen Parteien aber als Bedrohung an. Ganz im Gegensatz etwa zur polnischen PiS sucht die Fidesz unter Orban den Kontakt zu Russland trotz des Ukraine-Krieges, vor allem in Energiefragen. Auch ideologisch steht Orban Präsident Wladimir Putin nahe. Slowakei: Smer - slovenská sociálna demokraciaDer heutige Ministerpräsident Robert Fico hat die Partei gegründet. Übersetzt heißt die Partei Richtung - Slowakische Sozialdemokratie. Die Richtung weist scharf nach rechts und hat mit Sozialdemokratie etwa deutscher Prägung kaum etwas zu tun. So warnt Smer vor einer "Überfremdung" der Slowakei. Parteichef und Ministerpräsident Fico hält Muslime generell für nicht integrationsfähig und sagte 2016: "Der Islam hat keinen Platz in der Slowakei." Die von Russland überfallenen Ukrainer bezeichnet Fico als "Nazis und Faschisten" ganz im Sinne Putins. Vor der Parlamentswahl 2023, aus der die Smer als Sieger hervorging, kündigte Fico an, er werde die Waffenlieferungen an die Ukraine sofort stoppen. Das tat er dann auch und behauptete, die NATO und die Vereinigten Staaten seien für den Angriff durch Moskau verantwortlich, was zu Demonstrationen in der ganzen Slowakei führte. Seine Regierung sprach sich auch wiederholt gegen EU-Sanktionen gegen Russland als "nutzlos und kontraproduktiv" aus. Spanien: VoxDie von Parteichef Santiago Abascal angeführte Vox (lateinisch: Stimme) hat einen steilen Aufstieg hingelegt. Gegründet 2013, erreichte sie noch 2016 bei den Parlamentswahlen nur 0,2 Prozent der Stimmen, 2019 aber 15 Prozent. Seitdem ist sie wieder etwas abgesackt. Vox ist zur Zeit drittstärkste politische Kraft in Spanien. Zu einer Regierungsbeteiligung oder auch nur Duldung kam es aber bisher nicht. Für eine Zusammenarbeit wäre nur die konservative Volkspartei (Partido Popular) infrage gekommen. Stattdessen bildete der Sozialist Pedro Sánchez erneut die Regierung. Das Hauptanliegen von Vox ist ein spezifisch spanisches: Die Autonomierechte der Regionen wie Katalonien oder das Baskenland sollen rückgängig gemacht, Spanien wieder ein Zentralstaat werden. Auch bei den migrations- und islamkritischen Tönen gibt es eine besondere spanische Note: Abascal fordert eine neue Reconquista - in Anlehnung an die Rückeroberung der jahrhundertelang muslimischen Iberischen Halbinsel bis 1492 durch christliche Herrscher. Die Partei war Anfang Februar in Madrid Gastgeber einer großen Veranstaltung unter dem Titel "Make Europe Great Again". Teilnehmer waren unter anderen der ungarische Regierungschef Viktor Orban und die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen. Dänemark: Dansk FolkepartiDie Dänische Volkspartei wurde 1995 gegründet und hatte ihre erfolgreichste Zeit in den Nuller- und Zehnerjahren. Mit ihren einwanderungs-, globalisierungs- und EU-kritischen Positionen, kombiniert mit Forderungen eines starken Wohlfahrtsstaates, stützte sie damals mehrere Mitte-Rechts-Regierungen in Kopenhagen. Dabei konnte sie vor allem eine Verschärfung des Asylsystems durchsetzen. In dem Moment jedoch, als die dänischen Sozialdemokraten unter Mette Frederiksen ab 2019 die Anti-Asyl-Forderungen der Volkspartei nicht nur übernahmen, sondern auch durchsetzten, schwand die Zustimmung zur Volkspartei. Bei der letzten Folketing-Wahl 2022 bekam sie nur noch 2,6 Prozent. Die Einwanderungs- und Asylpolitik der amtierenden sozialdemokratische Regierung in Dänemark ist eine der schärfsten in Europa. |
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Short teaser | Die AfD in Deutschland wird geächtet. In anderen europäischen Ländern stellen Rechtsaußenparteien sogar die Regierung. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/europas-rechtsparteien-im-aufwind/a-72857189?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Image caption | AfD-Chefin Alice Weidel wird von anderen Parteien in Deutschland gemieden, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban von der ähnlich gestrickten Fidesz-Partei sieht in ihr eine Verbündete | ||
Image source | Szilard Koszticsak/MTI/AP/dpa/picture alliance | ||
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Item 5 | |||
Id | 72868083 | ||
Date | 2025-06-11 | ||
Title | Indien: Mehr Extremwetterlagen infolge des Klimawandels | ||
Short title | Indien: Mehr Extremwetterlagen infolge des Klimawandels | ||
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Extreme Wetterereignisse treten laut einer aktuelle Studie in Indien immer häufiger auf und beeinträchtigen drastisch die Lebensqualität. Extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen, Hitzewellen und Wirbelstürme treten in Indien immer häufiger auf und haben weitreichende negative Auswirkungen auf Gesundheit, Entwicklung und Wirtschaft. Das bestätigt der Jahresbericht über die Umweltsituation in Indien, der letzte Woche vom Centre for Science and Environment (CSE), einer in Neu-Delhi ansässigen Forschungs- und Interessenvertretungsorganisation, veröffentlicht wurde. Laut dem Bericht starben im vergangenen Jahr fast 3000 Menschen als Folge von extremen wetterbedingten Ereignissen. Zwei Millionen Hektar an Erntefläche und rund 80.000 Häuser seien zerstört worden. An statistisch hochgerechnet 332,2 der 366 Tage im Schaltjahr 2024 traten der Studie zufolge in verschiedenen Orten Indien extreme Wetterereignisse auf. "Dieser Bericht unterstreicht die dringende Notwendigkeit einer kraftvolleren Umweltpolitik, einer verbesserten Gesundheitsinfrastruktur und einer ehrgeizigen Klimapolitik, um diese miteinander verbundenen Krisen anzugehen", sagt CSE-Direktorin Sunita Narain gegenüber der DW. Der jüngste Bericht müsse als Weckruf für die Politik verstanden werden. 80 Prozent der Bevölkerung vom Klimawandel betroffenSo sind indische Großstädte häufig von der weltweit schlechtesten Luftqualität betroffen. Seit 2021 haben die Einwohner in 13 indischen Städten, darunter der Hauptstadt Neu Delhi, durchschnittlich an einem von drei Tagen gefährlich unsaubere Luft einatmen müssen, registriert der Bericht. Mit fatalen Folgen: Die Menschen in Delhi haben eine um fast acht Jahre niedrigere Lebenserwartung, als wenn sie saubere Luft atmenkönnten, wie verschiedene Studien zeigen. Obwohl die Hauptsommermonate von April bis Juni in Indien zwar immer heiß sind, sind die Temperaturen in den letzten zehn Jahren extremer geworden. Auch die Intensität von Regen und Überschwemmungen hat zugenommen. Etwa 80 Prozent der indischen Bevölkerung leben in Regionen, die anfällig für Katastrophenwie Hitzewellen oder schwere Überschwemmungen sind, heißt es in dem Bericht. Die darin enthaltenen Daten stimmten mit den wichtigsten Ergebnissen der Studie von IPE Global aus dem Jahr 2024 überein, sagt Abinash Mohanty, Leiter der Abteilung Klimawandel und Nachhaltigkeit bei IPE Global, einer internationalen Entwicklungsorganisation, im Gespräch mit der DW. 80 Prozent der Distrikte in Indien seien demnach anfällig für extreme Wetterereignisse. "Indien befindet sich mitten in einem Sturm, in dem Klimachaos, Gesundheitskrisen und Entwicklungsdefizite aufeinanderprallen", warnt der Klima-Experte. "Das ist mehr als ein statistischer Alarm. Es ist eine real erlebte Krise, die sich in Echtzeit entfaltet", sagt Mohanty. Indiens Entwicklungsmodell müsse "radikal neu gedacht" werden, um sich an heißere Temperaturen, den Verlust der biologischen Vielfalt und Wassernotfälle anzupassen. "Die Folgen der Untätigkeit von heute werden morgen zu unumkehrbaren Realitäten." Vorausschauende Planung für Klimaanpassung nötigUm diesen Entwicklungen mit wirksamen Anpassungsstrategien zu begegnen, müsse die indische Regierung mehr in die Datenerfassung investieren, fordert Narain von der CSE. "Ohne klare glaubwürdige Daten kann es keine Lösungen oder Strategien geben. Deshalb plädieren wir nachdrücklich dafür, dass wir mehr und nicht weniger Daten brauchen. Wir müssen transparent sein", sagt Narain. So lasse der aktuelle Bericht die enormen Fortschritte, die Indien in vielen Bereichen gemacht hat, nicht außer Acht. "Er macht uns aber klar, dass wir uns nicht zurücklehnen dürfen. Wir müssen die Trends zur Kenntnis nehmen, sie verstehen und Korrekturmaßnahmen einleiten." Der Bericht zeige deutlich die sich beschleunigenden Auswirkungen des Klimawandels auf Indien, bestätigt Akshay Deoras, Klimawissenschaftler an der britischen University of Reading, gegenüber der DW. "Extremwetter an so vielen Tagen im Jahr zu erleben, ist kein statistischer Zufall. Es signalisiert eine Verschiebung der Ausgangslage." Klima-Resilienz sei also nicht mehr optional: "Sie ist ein existenzieller Imperativ." Deoras glaubt, dass Indien von reaktiver Hilfe zu vorausschauender Planung und von Klimarhetorik zu fundierten skalierbaren Maßnahmen übergehen müsse, zum Beispiel durch die Einrichtung von Klimarisiko-Beobachtungsstellen. "Ohne sofortige Investitionen in Anpassung, Frühwarnsysteme und die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen steuern wir auf eine destabilisierte Klimazukunft zu, insbesondere für die nächste Generation", sagte Deoras. "Die Uhr tickt. Und es gibt keine zweite Chance." Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand |
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Short teaser | Extreme Wetterereignisse treten laut einer Studie in Indien immer häufiger auf und beeinträchtigen die Lebensqualität. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/indien-mehr-extremwetterlagen-infolge-des-klimawandels/a-72868083?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Image caption | Extreme Hitzewellen in Indien: Passanten drinken Wasser, das in an einer Bushaltestelle in der Stadt Ahmedabad ausgeteilt wird. | ||
Image source | Ajit Solanki/AP/picture alliance | ||
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Item 6 | |||
Id | 72867211 | ||
Date | 2025-06-11 | ||
Title | Afghanistan: Angst vor Abschiebungen in ein "sicheres" Land | ||
Short title | Afghanistan: Angst vor Abschiebungen in ein "sicheres" Land | ||
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In Afghanistan herrsche Sicherheit, behaupten die Taliban - und rufen geflüchtete Afghanen zur Rückkehr auf. Doch Hunger, Armut und Angst bestimmen den Alltag, besonders für Mädchen. Die Taliban rufen alle geflüchteten Afghanen zur Rückkehr auf und versprechen ein Leben in Frieden. Mullah Mohammad Hassan Akhund, der Vorsitzende des Ministerrats der Taliban-Regierung, versprach am Samstag in seiner Botschaft zum Opferfest allen aus dem Land Geflohenen eine allgemeine Amnestie. Afghanistan sei sicher, alle könnten zurückkehren, erklärte er. "Die Verursacher der Gewalt sind nun an der Macht zum Beispiel als Leiter des Innenministeriums. Natürlich behaupten sie jetzt, das Land sei sicher", sagt die ehemalige Parlamentsabgeordnete Nilofar Ibrahimi im Gespräch mit der DW. Sie nennt dabei den derzeitigen Innenminister der Taliban-Regierung, Siradschuddin Haqqani. Haqqani wird für zahlreiche tödliche Anschläge bis 2021 in Afghanistan verantwortlich gemacht und steht wegen des Verdachts, "grenzüberschreitende Angriffe auf die Streitkräfte der Vereinigten Staaten und der Koalition in Afghanistan koordiniert und unterstützt zu haben", auf der Most-Wanted-Liste des FBI. Trotz seiner Vergangenheit spielt er heute eine Schlüsselrolle im Machtapparat der Taliban und ist insbesondere für Sicherheit und Polizei zuständig. "Die Taliban unterdrücken jeden Widerstand und schüchtern die Bevölkerung ein", sagt Ibrahimi, die nach der Machtübernahme der Taliban das Land verlassen musste. Sie fügt hinzu: "In der Provinz Badakhshan im Nordosten des Landes gehen sie gegen Bauern vor, die nicht wissen, was sie noch anbauen sollen, weil die Taliban den Mohnanbau verboten haben." In Afghanistan, einem der ärmsten Länder der Welt, arbeiten bis zu 80 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft. Der Opiumanbau war im Vergleich zu anderen Feldfrüchten selbst in Zeiten der Dürre, deutlich ertragreicher und bot vielen Bauern eine sichere Einnahmequelle. Die Taliban haben auf Befehl ihres obersten Führers Hibatullah Akhundzada den Mohnanbau im ganzen Land verboten - ohne eine Alternative anzubieten. Nun stehen die Bauern vor dem Nichts und wissen nicht, wie sie ihre Familien ernähren sollen. Mangelernährung und ZwangsehenSeit der Machtübernahme der Taliban ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter die Armutsgrenze gerutscht. Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das Land zählt etwa 41,5 Millionen Einwohner. Rund 43 Prozent davon sind laut dem United Nations Population Fund Kinder im Alter zwischen 0 und 14 Jahren. Laut einem aktuellen Bericht des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (März 2025) benötigt jedes zweite Kind in Afghanistan dringend Nothilfe. Die Zahl der akut mangelernährten Kinder steigt stetig. Viele minderjährige Mädchen werden zwangsverheiratet, weil ihre Familien nicht mehr wissen, wie sie ihre Kinder ernähren sollen. "Es sind Kinder, denen nicht nur das Recht auf Bildung, persönliche Entwicklung und sogar auf kindliches Spielen vorenthalten wird. Sie sind auch mit schmerzhaften Folgen wie Frühgeburten, extremer Armut, familiärer Gewalt und sozialer Isolation konfrontiert. Und das in einer Gesellschaft, in der die Unterstützungsstrukturen für Frauen und Kinder praktisch zusammengebrochen sind", schreibt eine Aktivistin des Frauennetzwerks Purple Saturday an die DW. Diese Aktivistinnen vor Ort versuchen durch ihre Netzwerk Informationen an Frauen und junge Mädchen weiterzugeben und sie auch privat zu unterrichten. Unter den Taliban dürfen Frauen nicht mehr an Hochschulen studieren. Weiterführende Schulen nach der fünften Klasse wurden für Mädchen verboten. "Mehr denn je brauchen wir jetzt die echte und bedingungslose Solidarität der internationalen Gemeinschaft. Lasst uns nicht allein." "Lieber hier verstecken"Viele verzweifelte Mütter sind in die Nachbarländer geflohen - so auch Diba, Mutter von drei Kindern. Vor der Machtübernahme arbeitete sie im afghanischen Bildungsministerium und war Mitbegründerin einer Einrichtung zur Förderung von Frauen, die später von den Taliban geschlossen wurde. Nach Monaten unter der Herrschaft der Taliban sah sich die Frauenrechtsaktivistin gezwungen, ihr Land zu verlassen und nach Pakistan zu fliehen. "Ich habe all meine Habseligkeiten verkauft und bin geflohen", sagte sie im Gespräch mit der DW. Sie hatte Angst, nach Ablauf ihres Visums aus Pakistan abgeschoben zu werden. Afghanische Flüchtlinge werden derzeit massenhaft aus Pakistan ausgewiesen. Allein im April und Mai sollen Schätzungen zufolge rund 200.000 Menschen abgeschoben worden sein. "Ich werde mich lieber hier verstecken als nach Afghanistan zurückzukehren", sagt Diba. In Afghanistan unter den Taliban darf sie sich als Frau nicht einmal frei in der Gesellschaft bewegen, geschweige denn eine Arbeit finden, um ihre Familie zu ernähren. Ihre Töchter werden kein selbstbestimmtes Leben haben. Sie hofft, einen Weg zu finden, um sich und ihre Kinder in ein sicheres Drittland bringen zu können. Auch andere Länder planen, afghanische Geflüchtete abzuschieben. Der Iran etwa hat angekündigt, in diesem Jahr vier Millionen Afghaninnen und Afghanen in ihr vermeintlich "sicheres Heimatland" zurückzuführen. Allein im Mai wurden 15.000 Menschen abgeschoben. "Wir werden sie willkommen heißen", versprechen die Taliban. Mitarbeiterin: Parwaneh Alizadah |
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Short teaser | In Afghanistan herrsche Sicherheit, behaupten die Taliban. Doch Hunger, Armut und Angst bestimmen den Alltag. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/afghanistan-angst-vor-abschiebungen-in-ein-sicheres-land/a-72867211?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Image source | Ali Khara/REUTERS | ||
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Item 7 | |||
Id | 72819727 | ||
Date | 2025-06-11 | ||
Title | EU am Scheideweg: Großkonzerne for Future? | ||
Short title | EU am Scheideweg: Großkonzerne for Future? | ||
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Ein Reihe europäischer Großunternehmen fordern von der EU mehr Klarheit beim Klimaschutz und schnellere Umsetzung von Nachhaltigkeits-Zielen. Wie viel Eigeninteresse steckt dahinter? In einem offenen Brief hatten Ende Mai rund 150 Unternehmen gefordert, die Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union bis 2040 um mindestens 90 Prozent zu reduzieren. Ihr Argument: Ein robustes Klimaziel und die Dekarbonisierung der Volkswirtschaften verbesserten die Widerstandsfähigkeit, Energiesicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Die Unterzeichner sind Mitglieder der Corporate Leaders Groups, die vom Institute for Sustainability Leadership der University of Cambridge einberufen werden. Der Brief ist an die Europäische Kommission, die Abgeordneten des Europaparlaments sowie die Staats- und Regierungschefs der EU adressiert. Zu den Unterzeichnern zählen große Konzerne, unter anderem SAP, die Otto-Gruppe und die Allianz. Bislang hat die EU als Ziel festgeschrieben, ihre CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken und bis 2050 klimaneutral zu werden. Ein verbindliches Zwischenziel für 2040 existiert noch nicht. Gefährdet Zögern der EU den Wettlauf um den grünen Welthandel?Deutliche Zwischenziele könnten den Unternehmen mehr Klarheit geben. Und für Investoren signalisieren, ob Europa weiter auf Klimakurs ist. Denn daran gibt es inzwischen Zweifel. Die EU-Kommission hatte zuletzt einige Direktiven wieder zur Diskussion gestellt. Vorgänge sollen vereinfacht werden. Ob es dabei bleibt oder hier durch die Hintertür bereits beschlossene Regelungen aufgeweicht werden sei derzeit "unvorhersehbar", so Manon Dufour. Das ließe die Investoren zögern, so die Geschäftsführerin des Brüsseler Büros des internationalen Think-Tanks E3G, spezialisiert auf internationale Klimadiplomatie. Für Dufour ist klar: Hinter den Forderungen der Firmen nach mehr Klimaambitionen steckt die Hoffnung, dass sich daraus ein Wettbewerbsvorteil für Unternehmen in der EU ergibt. Vor dem Hintergrund massiver grüner Investitionen in China, sei "die technologische Wende in Europa kein rein europäische Projekt mehr", sondern im Kontext des globalen Wettbewerbs zu sehen. "In einigen Sektoren dürfte es für Europa etwas schwierig sein, seinen Wettbewerbsvorteil zu behaupten. In anderen Sektoren hingegen ist Europa sehr gut aufgestellt," sagt Dufour. Europa sei führend in allen Bereichen, die mit Netz- oder Kabeltechnologien zu tun haben, sowie in einigen Bereichen der CCS-Technologie, mit der CO2 aus Industriebetrieben abgeschieden und gespeichert wird. "Hier könnte Europa noch gewinnen." Politik wirkt: mehr Unternehmen haben KlimazieleDass inzwischen auch immer mehr Unternehmen die EU zu entschiedenere Maßnahmen aufrufen, ist kein Zufall. Seit der Einführung des EU Green Deal 2019 wurden hunderte Milliarden Euro in grüne Technologie und Industrie investiert und etliche Regulierungen für nachhaltigeres Wirtschaften verabschiedet. Seitdem hat sich europaweit ein tiefgehender Wandel in der Haltung der Unternehmerseite zur Klimapolitik vollzogen. Eine Analyse der gemeinnützigen Organisation InfluenceMap mit Sitz im Vereinigten Königreich kommt zu dem Schluss: diese Politik wirkt. Heute orientieren sich 23 Prozent der Unternehmen in der EU an Strategien, die zur Erreichung der Klimaziele führen würden. 2019 lag dieser Wert noch bei drei Prozent. Gleichzeitig ging der Anteil der Unternehmen, die als "nicht klimagerecht" eingestuft wurden, von 34 Prozent auf 14 Prozent zurück. Klimapolitik im Eigeninteresse vieler UnternehmenDas im offenen Brief geforderte Ziel 90 Prozent weniger Emissionen bis 2040 "gäbe uns einen klaren Kurs vor, um unsere Maßnahmen und Investitionen zu auszubauen, um zu nachhaltigeren Geschäftsmodellen überzugehen und unsere Emissionen rasch zu senken." Letztendlich sei das Klimarisiko ein wirtschaftliches und finanzielles Risiko, so der offene Brief der Cooporate Leaders Group. Laut dem Sustainability Report der Beratungsgesellschaft Deloitte berichteten bereits 2022 fast alle befragten Führungskräfte in Deutschland (97 Prozent), dass ihr Unternehmen bereits negativ vom Klimawandel beeinflusst wurde. 50 Prozent sagten, dass ihre Betriebsabläufe – wie zum Beispiel Störungen der Geschäftsmodelle oder der weltweiten Versorgungsnetze – direkt mit Ereignissen des Klimawandels zusammenhingen. Schwerindustrie: klimaneutral ja, aber nicht zu schnellDessen ungeachtet stellte das deutsche Bundesumweltamt 2021 in einer Untersuchung fest, dass nur die Hälfte der deutschen Dax-Unternehmen zu den ökonomischen Risiken der Klimakrise berichten. Die jüngste Deloitte-Umfrage von 2024 zeigt: Der Großteil der über 2000 befragten Führungskräften aus 27 Ländern weltweit priorisiert inzwischen das Thema Nachhaltigkeit in ihren Entscheidungen. 85 Prozent der Befragten gaben an, ihre Investitionen in den Bereich zu erhöhen, gegenüber 75 Prozent im letzten Jahr. Dennoch sprechen in Brüssel auch jene vor, die weniger ambitionierten Klimaschutz bis 2040 fordern. Dazu gehören vor allem Unternehmen der europäischen Schwerindustrie, die deutsche Chemieindustrie, der Bund der deutschen Industrie, die europäische Zementindustrie, Öl- und Gaskonzerne. Eine verzögerte Transformation der Wirtschaft wird dabei nicht nur Unternehmen treffen und Steuerzahlende Unsummen angesichts der Schäden der Klimakrise kosten. Eine Studie von Wissenschaftlern des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeigt: Selbst wenn Treibhausgas-Emissionen ab heute drastisch reduziert würden, würde das globale Pro-Kopf-Einkommen bis 2050 um 19 Prozent schrumpfen. Das entspricht rund 38 Billionen Dollar jährlich, also etwa dem sechsfachen der geschätzten Kosten für Klimaschutzmaßnahmen. Entkopplung von Wachstum und CO2-EmissionenWeltweit findet derweil eine Entkopplung des Wachstums von CO2-Emissionen statt. Von 2015 bis 2022 wuchs das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 22 Prozent, während die Emissionen nur um sieben Prozent zunahmen. Dabei steigerten über 40 Länder ihr BIP und senkten gleichzeitig die Emissionen. Das zeigt eine Studie der OECD und den Vereinten Nationen von 2025. Diese Entwicklung hat seit den 1990 Jahren immer weiter Fahrt aufgenommen. Die Investitionen in saubere Energie sind heute doppelt so hoch wie die in fossile Brennstoffe und bieten erschwingliche Klimalösungen, Innovation, Arbeitsplätze und Wachstum, heißt es darin. Die Märkte für saubere Energien seien rasch gewachsen, zunächst durch die Politik und dann durch die Marktnachfrage. Heute gebe es für 87 Prozent der Weltwirtschaft Netto-Null-Ziele. Dabei haben sowohl Regierungen wie auch Regionen, Städte und Unternehmen Maßnahmen zur Begrenzung ihrer Treibhausgasemissionen ergriffen. Gleichzeitig lasse derzeit das Momentum für Klimaschutz nach. "Eine unklare Politik birgt die Gefahr, dass sich private Investitionen verzögern und das BIP bereits 2030 um 0,75 Prozent sinkt," so die Autorinnen und Autoren. Letztes Jahr empfahl die Europäische Kommission, die Emissionen bis 20240 um mindestens 90 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Der entsprechende Gesetzesvorschlag wird noch vor der Sommerpause erwartet. Er muss dann aber noch von den EU-Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament verhandelt werden. Einige Mitglieder des Europäischen Parlaments haben Bedenken geäußert, dass das vorgeschlagene Ziel zu ehrgeizig sein könnte. Das sehen immer größere Teile der Wirtschaft offenbar anders. |
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Short teaser | Einige Unternehmen fordern von der EU mehr Klarheit und schnelleren Klimaschutz. Aus Eigeninteresse oder fürs Klima? | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/eu-am-scheideweg-großkonzerne-for-future/a-72819727?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Item 8 | |||
Id | 72787687 | ||
Date | 2025-06-11 | ||
Title | VW in Brasilien: Die Schatten der Vergangenheit | ||
Short title | VW in Brasilien: Die Schatten der Vergangenheit | ||
Teaser |
Brasilien ist einer der wichtigsten Auslandsstandorte von Autobauer VW. Doch über den Niederlassungen Volkswagens hängt ein dunkler Schatten: Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung waren lange an der Tagesordnung. Vor zwei Jahren konnte der deutsche Autobauer Volkswagen sein 70. Jubiläum als "brasilianischer" Autohersteller feiern. Am 23. März 1953 hatte ihr südamerikanischer Ableger in einem Lager in São Paulo seine Arbeit aufgenommen. Kurz darauf entstand das Anchieta-Werk, das erste Volkswagen-Werk außerhalb Deutschlands, wie die brasilianische Onlinezeitung heycar.com.br berichtet. "Volkswagen do Brasil vollendet 70 Jahre technologische Innovation und Pioniergeist," so VW-Brasilien-Chef Ciro Possobom zum Jubiläum 2023. VW habe seine seine Werke in Brasilien modernisiert, neue Technologien entwickelt und ist heute eine Marke, die viel näher am Menschen ist." Im Jahr darauf gaben die Wolfsburger bekannt, dass sie ihr Brasilien-Engagement - der Konzern unterhält dort vier Standorte - weiter ausbauen: War bis dahin geplant, bis 2026 sieben Milliarden Reais zu investieren, sollen nun bis 2028 insgesamt 16 Milliarden Reais (das sind rund drei Milliarden Euro) in das brasilianische Unternehmen gesteckt werden, das berichtete die Website automobil-produktion.de vor einem Jahr. VW will mit Autos und Rindern verdienenWirtschaftlich eine gute Investition - von Anfang an. Und nicht nur mit Autos, auch mit Rindern wollte VW Geld machen. Dazu hatten die Niedersachsen 1974 in Cristalino, 2200 Kilometer vom Firmensitz in São Paulo entfernt, einen landwirtschaftlichen Betrieb (die "Fazenda Volkswagen") aufgebaut. Doch ausgerechnet dort, weit entfernt vom Trubel der Metropole, bekam das Bild von VW Risse. Christopher Kopper, Historiker an der Universität Bielefeld hat zur Geschichte von VW do Brasil geforscht. Im Gespräch mit der DW sagt er: "VW wurde schon in den Achtziger Jahren wegen der Behandlung der Arbeiter auf der Fazenda zur Rede gestellt." 2016 war Kopper vom Volkswagenkonzern mit der Erstellung eines Gutachtens zur Rolle von Volkswagen während der brasilianischen Militärdiktatur beauftragt worden. Im März 1964 hatte sich dort eine Militärjunta an die Macht geputscht und das Land in den folgenden 21 Jahren mit harter Hand unterdrückt. Auf der Farm wurde nur für VW-Beschäftigte gut gesorgtMit dem Aufbau der Farm hatte Volkswagen einen Agrarökonomen aus der Schweiz, Friedrich-Georg Brügger, beauftragt. Der beschäftige sowohl Mitarbeiter vom VW-Konzern wie auch lokale Kräfte und Subunternehmer für sein ehrgeiziges Agrar-Projekt. Wie ehrgeizig und rücksichtslos Brügger vorging, enthüllte Jahre später ein Fernsehbericht des ARD-Weltspiegels. Für die VW-Beschäftigten, so Christopher Kopper, war immer gut gesorgt: "Sie hatten eigene Häuser, eigene Schulen, eine Krankenstation. Aber für die Arbeiter der Subunternehmen traf das gar nicht zu. Die arbeiteten unter Bedingungen, die eine Schuldknechtschaft auf Zeit war." Eine Unterscheidung, an der Volkswagen immer festgehalten habe, so Kopper. Die Manager hätten sich immer "damit herausgeredet, dass sie für die Behandlung der Arbeitskräfte von Subunternehmen keine Verantwortung getragen hatten". Gleichzeitig hätten sie stets "darauf verwiesen, dass die Stammarbeiter der Fazenda, die direkt bei VW angestellt waren, unter den dort herrschenden Bedingungen gut hätten leben können." Das dunkle Geheimnis: VW und die DiktaturDie Zustände auf dem Landgut fanden nicht unter den Augen der Öffentlichkeit statt und auch das Ende des Versuches machte keine Schlagzeilen. "Die Fazenda", resümiert Historiker Kopper, "hatte von Beginn an ökonomisch keine Chance. Das Projekt war defizitär." Weit erschütternder als die Zustände auf der Fazenda war, was Kopper über die Einstellung des Konzerns zur herrschenden Militärjunta herausfand: "VW hat mit dem Sicherheitsapparat der Diktatur eng zusammengearbeitet. Das traf für das Stammwerk südlich von São Paulo zu und für die anderen Werke." Kopper sah, dass die Zustände auf der Fazenda nur ein Ausschnitt eines größeren, viel düsteren Bildes waren. So hatte der Werkschutz von VW do Brasil mit der Militärdiktatur zusammengearbeitet. VW-Mitarbeiter duldeten Verhaftungen und Misshandlungen durch die Militärpolizei und beteiligten sich sogar daran. "Die Korrespondenz mit dem Vorstand in Wolfsburg zeigt bis 1979 eine uneingeschränkte Billigung der Militärregierung", so Kopper zum Ergebnis der Studie. Schatten der Vergangenheit reicht bis in die NS-ZeitSolche Umstände sind in jeder Firma ein Skandal - doch bei Volkswagen ist so etwas noch um einiges schlimmer, wenn man an die unheilvolle Konzerngeburt in der Hitler-Diktatur denkt: Gegründet im NS-Staat durch NS-Organisationen hatte der Konzern während des Zweiten Weltkrieges Tausende Zwangsarbeiter ausgebeutet und misshandelt. Hatten die Verantwortlichen in Wolfsburg, dem VW-Stammsitz, denn gar nichts gelernt? Natürlich kam sofort der Verdacht auf, dass nur ein Jahrzehnt nach dem Ende von Krieg und Diktaturin Deutschland auf einem anderen Kontinent das gleiche Unrecht wiederholt werden sollte. Management mit teils dunkler VergangenheitEine unheilvolle Kontinuität will Christopher Kopper nicht von der Hand weisen: "Das würde ich für das Management von VW do Brasil eingeschränkt bejahen." Das hätte vor allem persönliche Gründe, seien doch die Manager der Fünfziger- und Sechzigerjahren in jungen Jahren "noch Wehrmachtsoffiziere gewesen und NSDAP-Mitglieder". Für den Mann, der die brasilianische VW-Tochter von 1971 bis 1984 leitete, Wolfgang Sauer, habe das aber nicht zugetroffen: "Er war dazu noch zu jung." Er sei nicht der nationalsozialistisch-militärisch Tradition verhaftet gewesen, sondern eher "der Tradition des in Brasilien herrschenden autoritären Paternalismus: Man gibt den Arbeitern Sozialleistungen, aber man ist auch nicht bereit, einen unabhängigen Betriebsrat zu akzeptieren." Die gesellschaftliche und juristische Aufarbeitung der Geschichte Volkswagens in der brasilianischen Militärdiktatur ist noch lange nicht abgeschlossen. So stehen noch weitere, gerichtliche Auseinandersetzungen um Entschädigungen und Schuldanerkenntnisse von VW an. Erst wenn die abgeschlossen sind, kann man auch in Wolfsburg dieses Kapitel schließen. |
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Short teaser | Bei VW in Brasilien waren Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/vw-in-brasilien-die-schatten-der-vergangenheit/a-72787687?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Image caption | VW in Brasilien - eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, auch in der Zeit der Militärdiktatur von 1964 bis 1985 | ||
Image source | Ralf Hirschberger/dpa/picture alliance | ||
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Item 9 | |||
Id | 72863029 | ||
Date | 2025-06-10 | ||
Title | USA: Trump setzt bei Machtkampf mit Los Angeles auf Militär | ||
Short title | USA: Trump setzt bei Machtkampf mit Los Angeles auf Militär | ||
Teaser |
Wieder ein Tabubruch: US-Präsident Trump setzt Nationalgarde und Marinesoldaten gegen die Proteste in Los Angeles, Kalifornien, ein. Doch die Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei sind in Kalifornien unerwünscht. Bis hierhin und nicht weiter. Der Gouverneur des US-Bundesstaates Kalifornien, Gavin Newsom, will US-Präsident Donald Trump Grenzen setzen. Newsom reichte Klage gegen die Trump-Regierung ein, weil US-Verteidigungsminister Pete Hegseth ohne die Zustimmung Kaliforniens Truppen der Nationalgarde nach Los Angeles entsandt hatte. Der Befehl für den Einsatz der Nationalgarde liegt im Normalfall bei den jeweiligen Bundesstaaten. "Ich habe die Trump-Administration aufgefordert, die unrechtmäßige Stationierung von Truppen im Bezirk Los Angeles rückgängig zu machen und diese meinem Kommando zu unterstellen", erklärte Newsom am 9. Juni via X. Und er fügt hinzu: "Wir hatten kein Problem, bis Trump sich einmischte." Los Angeles gegen WashingtonEs scheint, als ob der US-Bundesstaat im Südwesten der USA zum Hort des Widerstands gegen Präsident Trump avanciert. In Los Angeles demonstrierten am Montag Hunderte von Menschen gegen Massenabschiebungen. Die Bürgermeisterin von Los Angeles, Karen Bass, forderte die Trump-Regierung auf X auf, "die Razzien" zu beenden. "In Los Angeles greift die Angst um sich. Eltern, Arbeiter, Großeltern, junge Menschen haben Angst, ihrem Alltag nachzugehen. Wir sind eine Stadt der Einwanderer. Washington greift unsere Bevölkerung und unsere Wirtschaft an", postetesie. US-Justizministerin Pam Bondi und Trump hingegen bezeichneten die Demonstranten in Los Angeles als "professionelle Agitatoren und Aufständische". Die Nationalgarde sei dazu da, die Polizisten in Los Angeles zu beschützen. "Wenn die Justiz in Kalifornien Männer und Frauen der Polizeibehörde der Stadt Los Angeles nicht gegen Aufständische beschützt, können wir gegen diese Leute vorgehen", erklärte Bondi in einem Interview mit dem TV-Sender Fox News. Massenverhaftungen und AbschiebungenWährend der Machtkampf zwischen Trump und Newsom eskaliert, streiten Experten darüber, ob der US-Präsident überhaupt das Recht hat, Militär gegen Zivilisten einzusetzen. Grund der Auseinandersetzungen sind Razzien sowie Verhaftungen und Massenabschiebungen von Migranten ohne gültigen Aufenthaltstitel. Seit Trumps Amtsantritt im Januar hat die US-Einwanderungsbehörde ICE(United States Immigration and Customs Enforcement) nach Berichten US-amerikanischer Medien über 100.000 irreguläre Migranten in den USA verhaftet. In Kalifornien ist nach Angaben des Public Policy Instituterund jeder dritte Einwohner im Ausland geboren. Die meisten Zugewanderten leben in den großen Metropolregionen an der Pazifikküste - so wie in Los Angeles. Newsom: "Wir werden klagen"Nach dem Ausbruch der Demonstrationen berief US-Präsident Trump am Samstag Truppen der Nationalgardeein. Die Streitkräfte sollen Beamte der Einwanderungsbehörde ICE sowie öffentliche Gebäude schützen. Der Befehl sieht die Entsendung von mindestens 4000 Soldaten der Nationalgarde für mindestens 60 Tage vor. Außerdem kündigte das Pentagon am Montag zusätzlich die Entsendung von 700 Marinesoldaten an. Kaliforniens Gouverneur Newsom will auch gegen die Entsendung von Marinesoldaten vor Gericht ziehen. "Die US-Marines sind keine politischen Spielfiguren. Wir werden klagen, um das zu stoppen", schrieb er in den sozialen Medien. Wird Trump das "Aufstandsgesetz" nutzen?Laut Experten ist die Rechtslage zum Einsatz von US-Streitkräften auf amerikanischem Boden nicht eindeutig. Trump beruft sich auf das US-Gesetzbuch, Abschnitt 12406 von Titel 10, wonach der Präsident Mitglieder und Einheiten der Nationalgarde und unter bestimmten Umständen in den Bundesdienst einberufenkann, unter anderem während einer Rebellion gegen die Autorität der Bundesregierung. Genau dieser Gesetzestext (Abschnitt 12406) besagt jedoch auch, dass Befehle für die Einberufung der Nationalgarde "durch die Gouverneure der Bundesstaaten erteilt werden" - eine Vorschrift, die US-Verteidigungsminister Pete Hegseth ignorierte, da er die kalifornische Nationalgarde ohne vorherige Benachrichtigung von Kaliforniens Gouverneur Newsom einberief. Allerdings ermächtigt ein US-Gesetz aus dem Jahr 1807, der sogenannte "Insurrection Act" (Aufstandsgesetz), den US-Präsidenten, die Nationalgarde "bei einer Rebellion gegen die Autorität der Vereinigten Staaten" auch ohne eine Benachrichtigung der jeweiligen Gouverneure einzuschalten. Auf dieses Aufstandsgesetz hat sich Trump bisher nicht berufen. Über die Marine hat Trump nach Ansicht von Rechtsexperten nach Titel 10 und in seiner verfassungsmäßigen Rolle als Oberbefehlshaber der Streitkräfte mehr direkte Befugnisse als über die Nationalgarde. Doch solange Trump sich nicht auf das Aufstandsgesetz beruft, unterliegt auch dieser Befehl rechtlichen Beschränkungen. "Es gibt keinen Notstand""So etwas gab es noch nie", erklärt Juliette Kayyem, Juristin und Migrationsexpertin in einem Interview mit der BBC. "Ja, es gab Gewalt", räumte sie ein. "Aber wir haben keinen Notstand oder eine solche Art von Krise, wie sie der Präsident und seine Minister zeichnen", so die ehemalige stellvertretende Sekretärin für zwischenstaatliche Angelegenheiten im US-Heimatschutzministerium. Seit der Bürgerrechtsbewegung in den 60er Jahren, als sich die Gouverneure der Südstaaten den gerichtlichen Anordnungen zur Aufhebung der Rassentrennung in den öffentlichen Schulen widersetzten, haben US-Präsidenten keine Bundestruppen mehr ohne die Zustimmung der Gouverneure eingesetzt. Mit der Zustimmung der Bundesstaaten wurde das Aufstandsgesetz das letzte Mal im Jahr 1992 angewandt. Damals baten der Gouverneur von Kalifornien, Pete Wilson, und der Bürgermeister von Los Angeles, Tom Bradley, den damaligen US-Präsident George H.W. Bush um Amtshilfe. Denn nach dem Freispruch von Polizeibeamten, die auf den schwarzen Autofahrer Rodney King eingeprügelt hatten, waren in Los Angeles Unruhen ausgebrochen. Dieser Artikel wurde aktualisiert. |
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Short teaser | Tabubruch von Trump: Der US-Präsident setzt Nationalgarde und Marinesoldaten gegen Demonstranten in Los Angeles ein. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/usa-trump-setzt-bei-machtkampf-mit-los-angeles-auf-militär/a-72863029?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Image caption | In Los Angeles kam es am Wochenende zu Zusammenstößen zwischen Nationalgarde und Demonstrierenden. Die Truppen wurden ohne Absprache mit dem Gouverneur eingesetzt | ||
Image source | Brian Cahn/ZUMA Press Wire/picture alliance | ||
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Item 10 | |||
Id | 72700682 | ||
Date | 2025-06-10 | ||
Title | Spanien: Zu wenig Wohnungen, zu viele Touristen | ||
Short title | Spanien: Zu wenig Wohnungen, zu viele Touristen | ||
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Befristet vermietete Wohnungen verschärfen die Wohnungsnot in Spanien. Die Nachfrage von Investoren treibt zudem die Preise nach oben. Für viele Einheimische ist das verheerend, ihre Wut wächst. Der Immobilienmakler Juan Sanchez (Name wurde von der Redaktion geändert) öffnet die dicke milchige Glastür zu einer Wohnung, die früher ein Laden war und wo der Besucher von der Straße direkt in die Küche tritt. Die Decken sind sehr hoch. "Hier können Sie eine Zwischendecke einziehen," sagt Sanchez. Die zwei annoncierten Schlafzimmern befinden sich im Keller. Einer der winzigen Räume hat noch nicht einmal ein Fenster. "Das Ganze können Sie locker für 1300 Euro an Studenten vermieten", so der Makler. Es gebe allerdings einen Haken: "Der Platz unten ist offiziell nur als Lager im Grundbuch angeben, da haben wir keine Lizenz bekommen, aber das ist beim Vermieten kein Problem", versichert er. Über 300.000 Euro soll die 55-Quadratmeter-"Wohnung" in einem zentral gelegenen Madrider Mittelklasse-Viertel kosten. Die hohen Preise sind diesmal nicht wie 2005 das Ergebnis von niedrigen Kreditzinsen. Sie werden derzeit getrieben von finanzstarken ausländischen Investoren, die in den seit Jahren hochrentablen und sicheren Wohnungsmarkt in Spanien und in den boomenden Tourismus investieren wollen. Es gibt viel weniger Angebot als Nachfrage, sagt die spanische Bank BBVA. In Folge haben viele Spanierinnen und Spanier Probleme, die Miete zu finanzieren und viele Unterkünfte werden an internationale Touristen und Studenten zeitlich begrenzt vermietet. So gehen immer wieder die Menschen auf den Kanaren, in Barcelona oder Madrid auf die Straße und protestieren gegen die Wohnungsnot und Überfremdung. Der Wohnungsmangel in Spanien wird auch von Einheimischen getriebenInzwischen bieten Unternehmen wie habitacion.com sogar Zimmer zum Verkauf an. Für die linke Mieter-Lobby Sindicatos de Inquilinas hat das alles mit wildem Spekulieren zu tun, vor allem von Ausländern und Investmentfonds. Dort schätzt man, dass es über 4 Millionen leere Wohnungen und 400.000 Ferienwohnungen in dem 46 Millionen-Einwohner-Land gibt. Verschärft wird die Angebotsknappheit auf dem Wohnungsmarkt noch durch die Einheimischen selber. Es gibt über 2,5 Millionen nur sporadisch genutzten Wohnungen in Spanien, so das spanische Statistikinstitut INE. Man kann davon ausgehen, dass ein großer Teil Zweit- oder sogar Drittwohnsitze spanischer Familien sind, die auch zu Urlaubszwecken genutzt werden, aber meist nicht gerne an Dritte vermietet werden. Privatinvestoren und Hedgefonds haben dagegen weniger Angst vorm Vermieten, vor allem die temporären Verträge werden bei ihnen immer beliebter. Lässt man Vermietungen an Touristen außen vor, machten im ersten Quartal 2025 Wohnungen, die zeitlich befristet vermietet wurden, 14 Prozent des Gesamtmarktes aus – das entsprich einem Anstieg von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie die spanische Immobilien-Plattform idealista schreibt. Den größten Anstieg des zeitlich befristeten Wohnungsangebots erlebten Städte wie Bilbao (36 Prozent), gefolgt von Alicante (33 Prozent), Barcelona (29 Prozent) und Madrid (23 Prozent), heißt es bei Idealista. Die spanische Ministerin für Wohnungsbau und Städteplanung, Isabel Rodríguez, hat jedoch im Mai ein Signal gesetzt: Sie hat der Plattform Airbnb mitgeteilt, dass sie knapp 66.000 Wohnungsangebote ohne Lizenz löschen müssen, wie die Zeitung El País berichtete. Laut einer Gesetzesinitiative von Rodríguez soll künftig, wer in Spanien Urlaub macht, 21 Prozent Mehrwertsteuer beim Mieten von Apartments bezahlen müssen, das wäre doppelt so viel wie für ein Hotelzimmer. Sindicatos de Inquilinas reicht das nicht. Gefährliche Blase mit sozialen Auswirkungen?Wie vor der Finanzkrise heizt sich der spanische Immobilien-Markt wieder gefährlich auf. Kostete ein Haus 2014 noch im Durchschnitt rund 138.000 Euro, hat dieselbe Immobilie im Jahr 2024 einen Wert von 178.700 Euro, laut MD Capital. In Regionen wie den Balearen hat sich dieser Preis sogar mehr als verdoppelt. "Das führt zwangsläufig zu Protesten bei der einheimischen Bevölkerung", sagt der in Palma arbeitende Immobilien-Anwalt Tim Wirth gegenüber der DW. Er glaubt, dass Vermieten wieder attraktiver gemacht werden muss: "Steuerlich und rechtlich abgesichert für beide Seiten." Er erkennt aber die brisanten sozialen Probleme der aktuellen Lage. Denn während die spanischen Immobilienpreise im letzten Jahrzehnt zwischen 29 und 34 Prozent gestiegen seien, habe sich das Durchschnittsgehalt nur um etwas mehr als 23 Prozent erhöht. Dadurch sei eine Lücke entstanden, die vielen Spaniern den Zugang zu Wohnraum erschwere, glaubt MD Capital. Anders als in Paris oder London erhalten in Spanien Arbeitnehmer keinen Zuschlag aufs Gehalt, wenn die Preise für Wohnen besonders hoch sind. Das Durchschnittsgehalt in Spanien lag im Jahr 2024 laut Datosmacros bei 2642 Euro brutto pro Monat. Eine durchschnittliche Wohnung mit 80 Quadratmetern würde jedoch nach Angaben des spanischen Immobilienportals Fotocasa um die 1.100 Euro pro Monat kosten. In Städten wie Madrid oder Barcelona liegt der durchschnittliche Preis für die Größe schon bei 1400-1500 Euro. Zu viele internationale Besucher, zu wenig Sozialer WohnungsbauEs sind vor allem die rund 90 Millionen internationale Touristen pro Jahr, die nach Spanien kommen, die digitalen Nomaden auf den Kanaren und in Barcelona, die internationalen Studenten in Madrid und die vielen lateinamerikanischen Investoren mit viel Geld, die den spanischen Markt überlaufen und damit auch immer mehr Widerstand bei den sonst sehr ausländerfreundlichen Spaniern auslösen. Im Studienjahr 2024–2025 kamen laut des Kurzfrist-Mietportals Spotahome allein über 118.000 Studierende und Lehrkräfte vom Programm Erasmus+ nach Spanien. Hinzukommen die vielen internationalen Studenten aus der ganzen Welt, die an den knapp 90 Universitäten und den Dutzenden Business Schools im Land studieren. Studentenwohnheime nach deutschem Muster gibt es nicht, auch kein Bafög. Ein Grund, warum Spanier das Elternhaus statistisch erst mit über 30 Jahren verlassen (Stand 2023, Eurostat). In Deutschland dagegen suchen sich junge Menschen im Schnitt mit knapp 24 Jahren ein eigenes Zuhause. Beim sozialen Wohnungsbau liegt Spanien zudem in Europa weit hinten. Im vergangenen Jahr wurden nach offiziellen Angaben 14.371 Sozialwohnungen gebaut. Laut dem spanischen Wohnungsbauministeriums hat Spanien zwischen 2007 und 2021 34 Euro pro Einwohner für Sozialwohnungen bereitgestellt - deutlich weniger als der EU-Durchschnitt von 160 Euro, heißt es im Online-Nachrichtenportal Infobae.com. Die Mieter-Lobby Sindicatos de Inquilinas droht mit Zoff, wenn die Regierung nicht stärker durchgreift: "Wir werden mit lautstarken Protesten wieder zurückholen, was leer steht oder an Touristen vermietet wird," lässt die Lobby die DW wissen. |
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Short teaser | Die Nachfrage von Investoren und befristet vermietete Wohnungen treiben Mieten in Spanien hoch - Einheimische leiden. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/spanien-zu-wenig-wohnungen-zu-viele-touristen/a-72700682?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Image caption | In Spanien demonstrieren viele Einheimische gegen die hohen Immobilienpreise | ||
Image source | Clara Margais/dpa/picture alliance | ||
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Item 11 | |||
Id | 72764005 | ||
Date | 2025-06-10 | ||
Title | Saudi-Arabien: Ein neues Zentrum der Hightech-Produktion? | ||
Short title | Saudi-Arabien: Ein neues Zentrum der Hightech-Produktion? | ||
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Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate konnten hohe US-Zölle vermeiden. Nun versuchen sie sich als attraktive Produktionsstandorte für Hightech zu etablieren. "Made in Saudi Arabia": Seitdem US-Präsident Donald Trump hohe Zölle auf Waren aus China und anderen asiatischen Ländern verhängt hat, findet dieser Slogan immer mehr Anhänger in der Region. Saudi-Arabien solle versuchen, sich an die Stelle Chinas als Produzent von in den USA benötigten Produkten zu etablieren, schrieb die Historikerin Ellen Wald, Autorin des 2018 erschienenen Buches "Saudi, Inc.: The Arabian Kingdom's Pursuit of Profit and Power", im April auf der Webseite Middle East Eye. Tatsächlich sind die Golfstaaten in einer guten Position: Während China und andere Länder, darunter Vietnam und Thailand, durch die von Trump verfügten Zollerhöhungen geschwächt sind, wurden die meisten Golfstaaten, darunter Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), nur mit Zöllen in Höhe von zehn Prozent belegt. Neue "Schlüsselländer" in Nahost?Sowohl Saudi-Arabien als auch die VAE versuchen derzeit, ihre Wirtschaft vom Erdöl unabhängig zu machen. Darum setzen sie auf eine moderne Fertigungsindustrie, insbesondere im Hightech-Bereich. Die VAE haben die "Operation 300 Milliarden" ins Leben gerufen. Diese zielt darauf ab, den Beitrag des lokalen Industriesektors zum Nationaleinkommen auf 300 Milliarden VAE-Dirham (72 Milliarden Euro) zu steigern. Saudi-Arabien will mit der "Vision 2030" die lokale Produktion und Industrie entwickeln. Medienberichten zufolge suchen einige der weltweit größten Technologieunternehmen, darunter die US-Marken Dell und HP, Standorte für neue Fabriken in Saudi-Arabien. Das chinesische Unternehmen Lenovo baut im Königreich eine Fabrik für die Montage von Computern und Servern und das saudische, mit rund 100 Milliarden Dollar (88 Milliarden Euro) staatlich finanzierte Unternehmen Alat arbeitet mit der japanischen SoftBank Group im Bereich der Industrierobotik zusammen. Offenbar haben die Saudis zudem das chinesische Unternehmen Foxconn umworben, einen wichtigen Zulieferer für Apples iPhones, ebenso auch das taiwanesische Unternehmen Quanta, das Computer und Computerteile für Unternehmen wie Dell herstellt. Standorte mit Vor- und Nachteilen"Länder wie Saudi-Arabien könnten sich als Anlaufstellen für Unternehmen positionieren, die höheren Zöllen entgehen oder Unsicherheiten in ihrem ursprünglichen Umfeld abmildern wollen", sagt Nader Kabbani vom Middle East Council on Global Affairs (ME Council) mit Sitz in Katar. Saudi-Arabien habe viele Eigenschaften, die zu dieser Entwicklung beitragen könnten. "Das Land verfügt über reichhaltige natürliche Ressourcen, darunter auch Öl. Es hat einen großen Binnenmarkt. Es liegt zentral und dient als Brücke zwischen Asien, Afrika und Europa", so Kabbani zur DW. Die Regierung unterstütze zudem Bemühungen zur wirtschaftlichen Diversifizierung. "Außerdem verfügt das Land über eine recht gut ausgebaute Infrastruktur und ist bereit, Arbeitsmigranten aller Qualifikationsstufen ins Land zu lassen." Die Region habe durchaus einige Vorteile, sagt auch Frederic Schneider, auch er vom ME Council. So verfügten die Golfstaaten über eine große Logistikbranche. Zudem erhöben einige Länder niedrige oder überhaupt keine Steuern. Da die lokalen Währungen an den schwächelnden US-Dollar gekoppelt seien, könnten ihre Exporte billiger und damit wettbewerbsfähiger werden. Allerdings gibt es auch eine lange Liste potenzieller Nachteile. "Die bestehende Fertigungsindustrie ist derzeit noch relativ schwach entwickelt und beschränkt sich weitgehend auf Sektoren, die mit der Öl- und Gaswirtschaft in Verbindung stehen", sagt Schneider. Wollten die Saudis im Bereich der Hightech-Fertigung konkurrieren, müssen sie sich gegen Länder wie China, Südkorea, Taiwan, Japan, Deutschland und die Schweiz behaupten. In Sektoren mit einfacherer Technologie konkurrierten sie mit Malaysia, Indonesien und Vietnam. Saudische Zukunftspläne: Risiken und KritikEs gibt noch weitere Probleme, so Schneider weiter. So führe etwa der Umstand, dass immer mehr Ausländer in den zuvor konservativen Golfgemeinden arbeiteten, zu kulturellen Spannungen. Zudem erwärme sich die Region durch den Klimawandel schneller als andere Teile der Erde. Auch seien eine Reihe geopolitischer Konflikte, etwa zwischen dem Iran und den USA, nicht gelöst. "Auch die Projektrisiken sind beträchtlich", so Schneider weiter. "Zwar ist die Region bestrebt, technologische Innovationen zu präsentieren. Doch viele davon werden nicht realisiert." In diesem Zusammenhang verweist er auf erfolglose Drohnentaxis und Reisen per Hyperloop sowie auf fehlgeschlagene Investitionen in Kryptowährungen und aufgegebene oder verkleinerte Bauprojekte. Die Aktivistengruppe Never Neom übt zudem heftige Kritik an den saudischen Zukunftsplänen. "Von diesen Plänen gibt es vage Investitionsankündigungen - meist verbunden mit ausländischen Partnerschaften und Projekten, die noch auf dem Papier stehen", schreibt Never Neom auf seiner Website. Die Gruppe weist zudem darauf hin, dass jegliche Kritik an der Regierung willkürliche Verhaftungen und lange Haftstrafen nach sich ziehen kann. Gefahr durch möglichen HandelskriegDie Regierungen in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten bauen zwar zunehmend neue Fabriken mit der Folge, dass Wirtschaftsaktivitäten ohne Bezug zum Öl jedes Jahr einen größeren Beitrag zum Nationaleinkommen leisten. Doch könnten höhere internationale Zölle und ein möglicher Handelskrieg alle Fortschritte zunichte machen. Den Golfstaaten droht aufgrund der niedrigeren Ölpreise das Geld auszugehen, um ihre ehrgeizigen Pläne umzusetzen. Darum sind in Saudi-Arabien die inländischen Steuern gestiegen. Dies könnte den Kostenvorteil der Sonderwirtschaftszonen gefährden, sagt Frederic Schneider vom ME Council. Zudem dürfte eine globale Konjunkturabschwächung die Ölpreise zusätzlich sinken lassen und sich auch auf die Rolle der Region als Logistikzentrum auswirken. Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp. |
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Short teaser | Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate wollen sich als Produktionsstandorte für Hightech etablieren. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/saudi-arabien-ein-neues-zentrum-der-hightech-produktion/a-72764005?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Item 12 | |||
Id | 72827353 | ||
Date | 2025-06-09 | ||
Title | Das Netzwerk der Rechtspopulisten in Mitteleuropa | ||
Short title | Das Netzwerk der Rechtspopulisten in Mitteleuropa | ||
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Die Wiederwahl von Donald Trump und eigene Erfolge an den Wahlurnen geben europäischen Rechtspopulisten Aufschwung. Sie schließen sich zusammen, um stärkere Allianzen aufzubauen. Welche Rolle spielt dabei Viktor Orbán? Die CPAC Hungary 2025 war gut besucht. Führende - und angehende - Politiker und Politikerinnen aus dem gesamten rechtspopulistischen politischen Spektrum Europas trafen sich kürzlich zur vierten Ausgabe der US Conservative Political Action Conference (CPAC) in der ungarischen Hauptstadt Budapest. Dort machten sie ihrem Unmut über eine Bedrohung der nationalen Souveränität Luft, die in ihren Augen von der EU und dem "Gender- und Woke-Wahn" ausgeht, und riefen das neue "Zeitalter der Patrioten" aus. Höhepunkt der Veranstaltung war die Rede des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Von seinen Zuhörern waren einige rund um den Globus gereist, um teilnehmen zu können. Orban feierte das Chaos, das der "Trump-Tornado" mit sich gebracht habe und rief alle "Konservativen" auf, die sich dadurch eröffnenden Chancen zu ergreifen: "Wir müssen nach Hause gehen und jeder muss seine eigenen Wahlen gewinnen. Nach Amerika werden auch wir Europäer uns unsere Träume zurückholen und Brüssel besetzen." Orban inszeniert sich als leuchtendes Vorbild für GleichgesinnteAuf dem Podium in Budapest waren führende Politiker von Deutschlands AfD, Spaniens Vox und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) vertreten, doch auch wenn diese Parteien bei vergangenen Wahlen deutliche Zugewinne verzeichnen konnten, werden nur wenige europäische Staaten von rechten und rechtspopulistischen Parteien regiert. Osteuropa ist hier eine Ausnahme. Ebenfalls im Rampenlicht stand das prominente Trio aus Mitteleuropa: der slowakische Ministerpräsident Robert Fico, der ehemalige und möglicherweise zukünftige tschechische Ministerpräsident Andrej Babis und der ehemalige polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Orban hat hart daran gearbeitet, die Region zu einer Drehscheibe für Rechtspopulisten zu machen. Dabei hat er ein Netzwerk geschaffen, das seinen Erfolg als leuchtendes Vorbild für gleichgesinnte Politiker und Parteien in der ganzen Welt verbreitet. Rechte Netzwerke von Ost nach West gespannt"In Europa findet jetzt ein transnationales Lernen von Ost nach West statt, was ziemlich ungewöhnlich ist", stellt Daniel Hegedus von German Marshall Fund of the United States (GMFUS) im Gespräch mit der DW fest. Nicht nur Orban und CPAC haben viel dazu beigetragen, sondern auch von Regierungen finanzierte und betriebene Lobbyisten-Netzwerke sowie politische und religiöse Graswurzelorganisationen, die sich in der Region und darüber hinaus ausgebreitet haben. Sie alle helfen dabei, rechtspopulistische Kräfte miteinander zu vernetzen und aneinander zu binden, um ihre Botschaft in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen. Ungarn und Polen als zentrale Achse der NationalistenIm Zentrum dieser Einflussnetzwerke sitzen von der ungarischen Regierung finanzierte Institutionen. Zu ihnen zählen das Danube Institute, das Mathias Corvinus Collegium (MCC) und das Center for Fundamental Rights, das die CPAC Hungary 2025 ausrichtete. Mit Zweigstellen in der ganzen Region und darüber hinaus organisieren diese Institutionen Veranstaltungen, die gleichgesinnte Akademiker und Akademikerinnen, Aktivisten und Aktivistinnen zusammenbringen. Sie unterhalten nicht nur in Ost- und Mitteleuropa, sondern auch in Brüssel und Großbritannien Mediendienste, unter anderem The European Conservative, Brussels Signal und Remix. Das MCC betreibt Bildungseinrichtungen in Ungarn, der Slowakei und in Österreich und arbeitet mit zur katholischen Kirche gehörenden, extrem konservativen Gruppierungen wie der polnischen Ordo Iuris zusammen. Ungarn und Polen bilden die zentrale Achse dieses Netzwerks, wie Zsuzsanna Szelenyi, ehemalige Abgeordnete von Orbans Partei Fidesz und Gründungsdirektorin des Demokratie-Instituts der Zentraleuropäischen Universität (CEU), der DW erklärt. Extreme Rechte hofft auf KettenreaktionAnalysten der in Budapest ansässigen Denkfabrik Political Capital zufolge sollen diese Netzwerke "eine Kettenreaktion auslösen und Änderungen auf gesamteuropäischer Ebene herbeiführen". So sollen Bemühungen der EU, Orbans Angriff auf die Demokratie ein Ende zu setzen, gestoppt und das Überleben seiner Regierung gesichert werden. "Die europäische Ausgabe von CPAC zeigt, wonach sich die globale extreme Rechte sehnt: Macht wie die von Viktor Orban", sagt Klara Dobrev, Europa-Abgeordnete der sozialliberalen Oppositionspartei Demokratische Koalition (DK). Zweifellos dient Ungarns starker Mann Viktor Orban vielen als Beispiel. Jene, die seinem Drehbuch folgen wollen, blicken mit Bewunderung auf die Machtfülle, die er in Ungarn genießt. Mit einem neuen "Transparenzgesetz" will Orban seine Macht noch vertiefen. Das Gesetz würde es seiner Regierung erlauben, alle Organisationen auf eine schwarze Liste zu setzen, die ihrer Einschätzung nach "die Souveränität Ungarns bedrohen, indem sie mit ausländischen Mitteln Einfluss auf das öffentliche Leben nehmen". Kritiker warnen, der von repressiven russischen Gesetzen inspirierte Gesetzesentwurf würde jede Kritik im Keim ersticken. Sie fürchten außerdem, dass andere Regierungen dem ungarischen Beispiel folgen könnten. "Wir arbeiten mit Partnern in vielen anderen europäischen Ländern zusammen", sagte Marta Pardavi von der regierungsunabhängigen Organisation Hungarian Helsinki Committee am 28. Mai bei einer Online-Podiumsdiskussion des Think Tanks German Marshall Funds über das geplante Transparenzgesetz. "Sie wissen genau, dass solche Gesetze anderswo reproduziert werden können. Die EU ist nicht nur ein Binnenmarkt, sie wird zu einem illiberalen Markt." Abschreckende Wirkung auf NGOs in der SlowakeiSeit Robert Fico 2023 in der Slowakei wieder an die Macht kam, hat er ähnliche, wenn auch weniger strenge Gesetze durchgesetzt. Besonders ins Visier nahm er dabei "politische Nichtregierungsorganisationen" wie Via Iuris, einer Organisation, die sich für die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in der Slowakei einsetzt. Katerina Batkova ist Geschäftsführerin von Via Iuris. Sie berichtete von der abschreckenden Wirkung, die die Gesetze haben. Bei den Organisationen mache man sich Sorgen, wie man die neuen Regelungen einhalten könne. Diese scheinen absichtlich vage gehalten, um den Behörden die Möglichkeit zu geben, hart durchzugreifen. Hat die Zeit der Rechtspopulisten in Europa begonnen?Auch wenn es Orbans Netzwerken gelungen ist, rechtsextreme Narrative in den europäischen Mainstream zu verschieben, versucht er seit Jahren vergeblich, funktionierende internationale Bündnisse zu schaffen. Wie standsicher sich die Fraktion der "Patrioten für Europa" im Europaparlament erweisen wird und ob sie ihm den erhofften Einfluss auf die EU-Gesetzgebung verschaffen kann, bleibt abzuwarten. Immerhin nahmen keine führenden Politiker und Politikerinnen der französischen extremen Rechten an der CPAC Hungary 2025 teil. Durch die Wiederwahl von US-Präsident Donald Trump haben sich die Beziehungen und die Koordinierung mit rechtspopulistischen und nationalistischen Gruppierungen in den USA vertieft. Welche Impulse Trump den Rechtspopulisten in Europa tatsächlich geben kann, ist jedoch noch lange nicht klar. Zwar rief US-Ministerin für Heimatschutz Kristi Noem in ihrer Rede bei der CPAC Polen vor der Präsidentschaftswahl die polnischen Wähler und Wählerinnen dazu auf, für Karol Nawrocki zu stimmen, an der CPAC Hungary 2025 nahmen jedoch keine hochrangigen Vertreter der USA teil. Adaption aus dem Englischen: Phoenix Hanzo |
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Short teaser | Die Wiederwahl von Donald Trump und eigene Erfolge an den Wahlurnen geben europäischen Rechtspopulisten Aufschwung. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/das-netzwerk-der-rechtspopulisten-in-mitteleuropa/a-72827353?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Item 13 | |||
Id | 72788788 | ||
Date | 2025-06-09 | ||
Title | Putins Angriff auf Europa: Wegwerf-Agenten, Sabotage und Mord | ||
Short title | Putins Angriff auf Europa: Wegwerf-Agenten, Sabotage, Mord | ||
Teaser |
2024 war Europa Schauplatz von mehr als 40 russischen Geheimdienstoperationen - ein sprunghafter Anstieg im Vergleich zu 2021, vor dem Einmarsch in die Ukraine. Doch was steckt dahinter? Welche Ziele verfolgt Moskau? Sabotageakte gegen westliche Waffenlieferungen für die Ukraine, prorussische Propaganda und sogar Mord: Die Liste russischer Geheimdienstoperationen in Europa wird immer länger. Seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 würden kontinuierlich mehr Fälle gezählt, so eine Studie der niederländischen Universität Leiden. Er verstehe die Untersuchung seines Teams als "Weckruf" für die Politik in Europa, schreibt Studienleiter Bart Schuurman. Der Sicherheitsexperte leitet die Forschungsgruppe Terrorismus und politische Gewalt der Leidener Universität. Terroranschläge gegen die LuftfahrtRussland sei nicht nur verantwortlich für "erhebliche Schäden an der europäischen Energie- und Telekommunikationsinfrastruktur", sondern auch für "Terroranschläge auf die Zivilluftfahrt und Bedrohungen für öffentliche Versorgungsbetriebe, die tausende Menschen gefährden könnten", so Schuurman. Der Brandanschlag auf einen Luftfracht-Container des deutschen Logistikunternehmens DHL kurz vor der Verladung in ein Flugzeug zeigt, dass die mutmaßlich russischen Hintermänner auch Personenschäden in Kauf nehmen. Russland bediene sich wie im Kalten Krieg aus dem ganzen Werkzeugkasten geheimdienstlicher Maßnahmen, sagt Gerhard Conrad, ein früherer Agent des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND), im DW-Interview. Es gehe um "Verunsicherung der Bevölkerung" genauso wie "Ausspähungsaktivitäten gegenüber militärisch relevanten Zielen, das heißt von der Rüstungsindustrie bis zu Bundeswehrstandorten", sagt Conrad. Neue Qualität: Rekrutierung von "Wegwerf"-AgentenDer ehemalige Geheimdienstler sitzt heute im Vorstand des Vereins "Gesprächskreis Nachrichtendienste in Deutschland". Die dort organisierten Ex-Agenten können offener sprechen als die Profis im Dienst. Neu sei die Rekrutierung sogenannter "Wegwerf-Agenten", sagt Conrad. Dabei handelt es sich häufig um Russland-Sympathisanten, die in den EU-Staaten gegen Bargeld angeworben werden, um für Unruhe zu sorgen. Fliegen solche Mitarbeiter auf, ist der Schaden für die russischen Geheimdienste gering. In Deutschland wurden vor der Wahl zum nationalen Parlament, dem Bundestag, vermehrt derartige Guerilla-Aktionen von Freizeit-Saboteuren bekannt. Aber auch um Militärstandorte mit Drohnen auszuspähen rekrutiert Russland mittlerweile solche Hobby-Spione. Verschärfte Bedrohung durch Russland schon seit 2014Die wachsende Bedrohung durch Russland sei "nicht erst seit 2022" zu erkennen, sagt Ex-Agent Conrad, "sondern spätestens seit 2014". Damals hatte Russland nach der pro-europäischen Maidan-Revolution die ukrainische Halbinsel Krim annektiert und Soldaten in die Region Donbass im Osten der Ukraine geschickt. Den Menschen in Europa müsse klar sein, dass die Bedrohung durch Russland nicht morgen vorbei sei, ist der frühere BND-Mitarbeiter Conrad überzeugt. Deutschland und Europa müssten sich auf eine langfristige "Abwehr hybrider Bedrohung" einstellen. Die EU-Staaten müssten nicht nur militärisch aufrüsten, sondern auch bei ihren Geheimdiensten. "Dazu brauchen Sie viel Personal, sie brauchen viele technische Möglichkeiten, auch rechtliche Möglichkeiten, um diese Strukturen, diese Angriffsstrukturen frühzeitig zu erkennen", erklärt Conrad. Nur so könnten die hybriden Angriffe Russlands frühzeitig erkannt werden. |
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Short teaser | Die Zahl russischer Geheimdienstoperationen in Europa hat sprunghaft zugenommen. Welche Ziele verfolgt Moskau? | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/putins-angriff-auf-europa-wegwerf-agenten-sabotage-und-mord/a-72788788?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
Image URL (460 x 259) |
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Image caption | Spionage-Drohnen über Infrastruktur und Militärgelände: Die Bedrohung durch russische Geheimdienstaktionen in Europa steigt exponentiell. | ||
Image source | Daniel Kubirski/picture alliance | ||
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Item 14 | |||
Id | 72846162 | ||
Date | 2025-06-09 | ||
Title | Ozeankonferenz in Nizza: Staaten ringen um mehr Meeresschutz | ||
Short title | Ozeankonferenz in Nizza: Staaten ringen um mehr Meeresschutz | ||
Teaser |
Die UN haben an die Côte d'Azur gerufen. 130 Staaten sind gekommen, um einen Rettungsplan für die Meere aufzustellen. Aber ein Abkommen ist in Aussicht. Überhitzt, übersäuert, vermüllt: Die Weltmeere befinden sich im Stresszustand. Nun droht auch noch wachsender Tiefseebergbau. Dabei gibt es viele Gründe, sorgsam mit den empfindlichen Ozeanen umzugehen. Um die Meere zu schützen, nehmen die Vereinten Nationen nun einen weiteren Anlauf. Bis zum Freitag wollen 130 Staaten in Nizza im Süden Frankreichs jahrzehntelangen Versprechungen konkrete Taten folgen lassen. Auf der 3. UN-Ozeankonferenz (UNOC) am Mittelmeer geht es um einen Rettungsplan für die Meere. Gastgeber Emmanuel Macron forderte zum Auftakt an diesem Montag ein entschlossenes Vorgehen beim Schutz der Meere: "Es braucht schnelles Handeln, kein Zurückweichen", rief der französische Präsident den Vertretern der Weltgemeinschaft zu. Hochseeabkommen in SichtMacron stellte in Aussicht, dass das seit langem geplante Hochseeabkommen der Vereinten Nationen schon bald wirksam wird. Etwa 15 weitere Staaten hätten sich verpflichtet, das Abkommen bis Ende des Jahres zu ratifizieren. Damit werde die Schwelle von 60 Ländern erreicht, sodass die Vereinbarung in Kraft treten könne. "Das Abkommen wird umgesetzt werden, das ist geschafft", sagte Macron am Montag in Nizza. Die Vereinbarung würde es ermöglichen, Schutzgebiete in internationalen Gewässern auszuweisen, die bislang ein weitgehend rechtsfreier Raum waren. Dies ist eines der Themen, die auf der bis Freitag dauernden UN-Ozeankonferenz in Nizza debattiert werden. Nach Einschätzung des gemeinnützigen Marine Conservation Instituts sind aktuell gerade einmal 2,7 Prozent der Ozeane effektiv vor zerstörerischen Rohstoffabbauaktivitäten geschützt. Das ist weit weniger als das im Rahmen der 30x30-Initiative vereinbarte Ziel, so das Glen Ellen in Kalifornien ansässige Institut. Die 30x30-Initiative sieht vor, 30 Prozent der Land- und Meeresflächen bis zum Jahr 2030 zu schützen. "Die Hohe See darf nicht zum neuen Wilden Westen werden", betonte UN-Generalsekretär António Guterres in Nizza. Macron und die ManganknollenDer französische Präsident forderte zum Beginn der UNOC ein Moratorium für den Tiefsee-Bergbau. Der Meeresboden ist an vielen Orten rohstoffreich. Aber das Ökosystem der Tiefsee, wo Pflanzen und Tiere hohem Wasserdruck in absoluter Dunkelheit trotzen, gilt als äußerst empfindlich. Flora und Fauna dort sind noch weitgehend unerforscht, die Auswirkungen von menschlichem Einwirken kaum abzuschätzen. Frankreich und bislang 30 weitere Länder fordern beim Bergbau am Grund der Ozeane zunächst innezuhalten. "Es wäre verrückt, eine wirtschaftliche Ausbeutung des Tiefseebodens zu starten, die die Artenvielfalt zerstören würde", mahnte Macron. Ein Moratorium sei daher "eine internationale Notwendigkeit", so der französische Präsident. Einen Seitenhieb gegen die USA, die nach langem Zögern einen Vertreter nach Nizza geschickt haben, konnte sich Macron in diesem Zusammenhang nicht verkneifen: "Der Meeresgrund steht nicht zum Verkauf, genau so wenig wie Grönland zu haben ist", sagte der Gastgeber mit Blick auf Bestrebungen von US-Präsident Donald Trump, Tiefseebergbau voranzutreiben und die größte Insel der Welt zu annektieren. Auf der Konferenz an der Côte d'Azur soll die Koalition der 31 Staaten weiter ausgebaut werden, die für eine vorsorgliche Pause beim Tiefsee-Bergbau eintreten. Auch Deutschland unterstützt dies. Wissenschaftler befürchten, dass der Abbau sogenannter Manganknollen unberührte Unterwasser-Ökosysteme dauerhaft zerstören könnte. Deutschland kündigt Selbstverpflichtung an"Die Ozeane sind die blaue Lunge des Planeten. Sie erzeugen Sauerstoff, versorgen uns Menschen mit Nahrung und sind das größte zusammenhängende Ökosystem der Welt", betonte der deutsche Umweltminister Carsten Schneider in Nizza. Die internationale Zusammenarbeit zum Schutz der Meere sei unverzichtbar. Schneider will in Nizza mehrere Selbstverpflichtungen der Bundesregierungen vorlegen. Dazu zählt etwa die Bergung von Altmunition aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg in Nord- und Ostsee. Zudem sollen Partnerländer, darunter Brasilien, Indonesien und der Senegal, dabei unterstützt werden, Schutzgebiete auf der Hohen See auszuweisen. Auf der UN-Konferenz geht es außerdem darum, die im August anstehende Verhandlungsrunde für ein Plastikabkommen vorzubereiten. "Was wir Menschen den Meeren zurückgeben, ist viel zu oft nur unser Plastikmüll. Das muss sich ändern", so der Bundesumweltminister. Es sei gut, dass der Ozean mit der UN-Konferenz "endlich die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient". Um das Hochseeabkommen zu ratifizieren, müssen in Deutschland gleich zwei Gesetze verabschiedet werden. Ob dies bis Ende des Jahres geschehen kann, ist unklar. "Ziel ist es, bei der ersten Vertragsstaatenkonferenz dabei zu sein", sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums. Diese könne im August 2026 in New York stattfinden. Schutz vor SchleppnetzenGroßbritannien kündigte am Montag an, die Schleppnetzfischerei weiter einzuschränken. Denn diese Art Fischfang schädigt den Meeresboden und setzt zudem klimaschädliches CO2 frei. Die britischen Schutzgebiete, in denen Schleppnetzfischerei verboten ist, sollen ausgeweitet werden: von derzeit 18.000 auf 48.000 Quadratkilometer. Gastgeber Frankreich hatte ebenfalls angekündigt, die Schleppnetzfischerei einzuschränken - allerdings auf niedrigerem Niveau: Sie soll künftig in vier Prozent der französischen Gewässer verboten sein, statt wie bisher in 0,1 Prozent. Umweltschützer bezeichnen das als unzureichend. AR/pgr (afp, dpa, rtr) Redaktionsschluss: 17:30 Uhr (MESZ) - dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert. |
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Short teaser | Die UN haben an die Côte d'Azur gerufen. 130 Staaten sind gekommen, um einen Rettungsplan für die Meere aufzustellen. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/ozeankonferenz-in-nizza-staaten-ringen-um-mehr-meeresschutz/a-72846162?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Image caption | Blick aufs Mittelmeer bei Nizza | ||
Image source | Annika Hammerschlag/AP Photo/picture alliance | ||
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Item 15 | |||
Id | 72835717 | ||
Date | 2025-06-08 | ||
Title | Was macht die Nationalgarde der USA? | ||
Short title | Was macht die Nationalgarde der USA? | ||
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Sie wird bei Katastrophen wie Überschwemmungen, Hurrikans oder Waldbränden mobilisiert. Doch die Nationalgarde leistet weit mehr. Nun wird sie in Los Angeles eingesetzt. Was darf sie und wer befehligt sie? Ein Überblick. US-Präsident Donald Trump hat die Nationalgarde ins kalifornische Los Angeles geschickt, wo es zu Protesten gegen Abschiebungen illegaler Migranten kam. Was ist die Nationalgarde?Die Nationalgarde ist Teil der Reserve der US-Streitkräfte. Sie besteht aus den beiden Teilstreitkräften des Heeres (Army National Guard) und der Luftstreitkräfte (Air National Guard). Sie wurde 1903 durch den sogenannten Militia Act formiert. Das Bundesgesetz organisiert die Nationalgarde in ihren heutigen Strukturen. Laut Defense Manpower Data Center dienen - Stand 2023 - rund 419.000 Reservisten und Reservistinnen in der Nationalgarde. Etwa 9500 sind in den US-Außengebieten wie Puerto Rico, Guam oder den Jungferninseln stationiert (Stand 2017). Wo wird die Nationalgarde eingesetztDie Nationalgarde hat ein breites Einsatzspektrum. Sie wird zur Unterstützung bei der Katastrophenhilfe eingesetzt. Zuletzt bei den verheerenden Waldbränden in Kalifornien im Januar 2025 oder auch nach Hurrikan Katrina 2005. Über 50.000 Nationalgardisten halfen bei Evakuierungen, Rettungsaktionen und der Wiederherstellung der Ordnung in New Orleans. Sie kann auch zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit entsendet werden. Beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 waren über 25.000 Nationalgardisten in Washington, D.C. stationiert, um die Sicherheit rund um die Amtseinführung von Präsident Joe Biden zu gewährleisten. Während der George-Floyd-Proteste wurden tausende Nationalgardisten in mehreren Bundesstaaten mobilisiert, um lokale Polizeikräfte zu unterstützen. Die Nationalgarde kann auch militärische Auslandseinsätze unterstützen. Dies geschah im Irak und in Afghanistan. Wer befehligt die Nationalgarde?Sind die Reservisten in den US-Bundesstaaten im Einsatz, übernimmt der jeweilige Gouverneur den Oberbefehl. Im bundesweiten Einsatz ist der US-Präsident der Oberbefehlshaber. Beim Einsatz der Nationalgarde in Los Angeles bei den Protesten gegen die Razzien der Einwanderungsbehörde ICE berief sich US-Präsident Donald Trump auf die nationale Sicherheit. Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom kritisierte die Entsendung und warf der Regierung vor, mit ihrem Eingreifen die Spannungen "gezielt" anzuheizen. Wer ist in der Nationalgarde?Grundsätzlich steht allen US-Bürgern die Mitgliedschaft in der Nationalgarde offen. Sie müssen aber bestimmte körperliche, geistige und rechtliche Voraussetzungen erfüllen. Die meisten Nationalgardisten dienen nebenberuflich in den Einheiten, es gibt auch hauptberufliche Soldaten, sie sind aber in der Minderheit. Soldaten, die einen Wehrdienst in der Armee absolviert haben, können sich danach für den Einsatz in der Nationalgarde bewerben. Sie benötigen meist keine weitere Ausbildung. Die zweite Möglichkeit ist eine freiwillige Verpflichtung zum ausschließlichen Dienst in der Nationalgarde ohne eine Dienstzeit in aktiven Truppenteilen. Dann wird eine Ausbildung in einer Einrichtung der Streitkräfte absolviert. Der Aufwand für die Mitglieder der Nationalgarde ist klar geregelt. Der typische Dienstumfang umfasst ein Wochenende pro Monat und zwei Wochen pro Jahr. Für einen Wochenendeinsatz erhalten die Nationalgardisten je nach Dienstgrad zwischen 200 und 600 US-Dollar. Zudem gibt es Zulagen für Unterkunft und Verpflegung, Bildungsförderung und Krankenversicherung. Bei längerer Dienstzeit können auch Rentenansprüche geltend gemacht werden. |
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Short teaser | Sie ist meist in der Katastrophenhilfe aktiv. Nun wird sie in Los Angeles eingesetzt. Was darf sie, wer befehligt sie? | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/was-macht-die-nationalgarde-der-usa/a-72835717?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Item 16 | |||
Id | 72810261 | ||
Date | 2025-06-06 | ||
Title | Merz bei Trump: Vertrauensbildung im Weißen Haus | ||
Short title | Merz bei Trump: Vertrauensbildung im Weißen Haus | ||
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Bei seinem ersten Besuch im Oval Office betont der deutsche Bundeskanzler die Gemeinsamkeiten und trifft auf einen wohlwollenden Donald Trump. Doch ob der US-Präsident sich auch inhaltlich bewegen lässt, bleibt unklar. Als Friedrich Merz am Donnerstagnachmittag vor dem Washingtoner Lincoln Memorial vor die Kameras tritt, wirkt er zufrieden. Zweieinhalb Stunden dauerte sein Treffen mit US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus - ein Treffen, über das zuvor vor allem spekuliert worden war, in welcher Atmosphäre es wohl stattfinden würde. Frostig-aggressiv - wie die jüngsten Visiten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und des südafrikanischen Staatschefs Cyril Ramaphosa im Oval Office? Oder kollegial-freundschaftlich - so wie der jüngste Besuch von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron? Doch schon früh wird klar, dass es wohl nicht zu einer Konfrontation kommen wird. Mit Handschlag und Schulterklopfer begrüßt Donald Trump den deutschen Kanzler am Eingang des Weißen Hauses. "Wir lieben die Deutschen“, sagt Trump in die Kameras. Merz nickt freundlich und folgt dem US-Präsidenten ins Oval Office. Am Ende des Tages wird Merz sagen, dass er mit dem Gefühl nach Hause fährt, jemanden gewonnen zu haben, mit dem er zusammenarbeiten kann. Auch außenpolitische Beobachter aus den USA zeigten sich überrascht von der Dynamik. "Dieser Austausch war alles andere als gewöhnlich", meint Damian Murphy vom Center for American Progress, einer liberalen Denkfabrik in Washington D.C., im DW-Interview. Zustimmung kam auch aus konservativen US-Kreisen: Als "starken Start" bewertete Nile Gardiner von der Heritage Foundation das Treffen. Gemeinsamkeiten statt UnterschiedeMerz' Strategie wird schnell klar: Er will die Gemeinsamkeiten betonen - zwischen den USA und Deutschland, aber auch persönlich zwischen ihm und Donald Trump. Gleich zu Beginn nutzt der deutsche Kanzler die Gelegenheit, dem US-Präsidenten ein Geschenk zu überreichen: die Geburtsurkunde von Trumps Großvater, der aus Deutschland stammt. Auch der hieß passenderweise Friedrich. Das Geschenk nimmt Trump mit Handschlag an. Die Geste der Verbundenheit bleibt nicht ohne strategische Hintergedanken. Für Merz hat ein Anliegen Priorität: die Unterstützung für die Ukraine. Das Gespräch beginnt, und der Kanzler beschränkt sich zunächst darauf, Trump reden zu lassen und zuzuhören. "Wir werden eine großartige Beziehung haben", sagt Trump zu Merz, der sich in seinem Sessel zurücklehnt. "Er ist ein hervorragender Vertreter Deutschlands", lobt Trump den deutschen Kanzler und nennt ihn einen "Freund“. Schmeicheleien zu Ukraine und AufrüstungDer Ton ist also gesetzt, als Merz auf die Situation im Osten Europas zu sprechen kommt: "Die Schlüsselperson auf der Welt", um Druck auf Russland auszuüben und den Krieg in der Ukraine zu beenden, sei Trump, so der deutsche Kanzler. Merz schmeichelt dem US-Präsidenten, der nimmt die Worte dankend an - und doch bleibt unklar, ob sie in der Sache etwas bewirken können. Zumindest habe "Merz’ erstes Oval-Office-Gespräch mit Präsident Trump gezeigt, dass er in der Lage ist, eine herzliche, aber pragmatische Beziehung zum US-Präsidenten aufzubauen", analysiert es Alexandra de Hoop Scheffer vom German Marshall Fund. "Beide Staatsmänner sprachen darüber, wie sie gemeinsam an einem Ende des Krieges in der Ukraine arbeiten können", erklärt Nile Gardiner. Er spricht von einem "deutlich wärmeren Treffen, als viele erwartet hatten". Während Donald Trump nicht erkennen lässt, dass er gewillt ist, seine bisherige Ukraine-Politik zu verändern, bewertet er die Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben als "positiv“. Mit Blick auf die Geschichte mahnt Trump aber scherzhaft, Deutschland solle nur bis zu einem gewissen Punkt aufrüsten. Er sorgt damit für einige Lacher im Raum. Wird Merz Trumps wichtigster europäischer Ansprechpartner?Dass Deutschland sein Bekenntnis zur Aufrüstung deutlich gemacht hat, sei durchaus als "Erfolg" zu bewerten, sagt Alexandra de Hoop Scheffer. Auch in die umstrittenen Handelsfragen zwischen EU und USA könne Bewegung kommen, glaubt die Präsidentin des German Marshall Fund. Sie ist der Ansicht, dass Merz "die Tür öffnen könnte" für Verhandlungen über die US-Strafzölle - insbesondere auf Autos und Stahl. Auch Trump erkennt die zentrale Rolle von Merz in diesem Zusammenhang an. "Wir werden ein gutes Handelsabkommen haben", prophezeit Trump. "Ich nehme an, das wird hauptsächlich von der EU bestimmt. Aber Sie", richtet der US-Präsident sich direkt an Merz, "sind ein großer Teil davon". "Es gibt eindeutig politischen Spielraum für Merz, innerhalb Europas Führungsstärke zu zeigen - und die Trump-Administration hat signalisiert, dass sie offen für sein Engagement ist", resümiert de Hoop Scheffer. Damit deute sich ein mögliches Fundament für eine sachorientierte Zusammenarbeit - etwa beim Handelsstreit mit der EU - an. Merz jedoch warnte diesbezüglich später gegenüber deutschen Medien vor überzogenen Erwartungen. Musk-Streit drängt Merz-Besuch in den HintergrundDas Treffen war für Merz eine Chance, sich als zentraler Ansprechpartner in Europa zu positionieren. Wie viel von Merz’ Anliegen tatsächlich bei Trump haften bleiben, ist aber unklar. Das Gespräch im Oval Office schweift auf andere Themen ab. Der Besuch aus Deutschland ist nur eines von mehreren Anliegen, die Trump an diesem Tag beschäftigen. Vor allem Elon Musk sorgt für Aufregung: Der einstige Verbündete geht nun öffentlich auf Distanz - das Auseinanderbrechen der einstigen Allianz zwischen US-Präsident und Tech-Milliardär gerät immer mehr zur offenen Schlammschlacht. Trump wirke, so berichten Beobachter, müder als sonst. Und doch verbucht der deutsche Kanzler seinen Antrittsbesuch in Washington danach als Erfolg, sprach im anschließenden Gespräch mit der DW von einer "sehr engen Zusammenarbeit". Weiter führte Merz aus: "Wir haben uns heute zum ersten Mal in unserer Eigenschaft als Staatenlenker getroffen. Und ich hoffe sehr, dass wir eng, offen und mit guten Kollegen von beiden Seiten des Atlantiks zusammenarbeiten können". Gute Gesprächsbasis - aber reicht das?Tatsächlich schnitt der neue Kanzler im Vergleich zu seinen Vorgängern bei Donald Trump besser ab. Während dieser Angela Merkel einst den Handschlag verweigert hatte und Olaf Scholz gar nicht erst bis ins Oval Office kam, schaffte Merz zumindest eine gemeinsame Gesprächsbasis - und das bereits vor den nächsten wichtigen Zusammentreffen der beiden Spitzenpolitiker beim anstehenden G7-Gipfel in Kanada und dem NATO-Gipfel in Den Haag später im Juni. Wie beständig diese Basis ist und ob sie auch dazu ausreicht, inhaltlich auf den unberechenbaren US-Präsidenten einzuwirken, muss sich jedoch erst noch unter Beweis stellen. |
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Short teaser | Der Kanzler betont die Gemeinsamkeiten und trifft den richtigen Ton. Ob Trump sich aber auch inhaltlich bewegen lässt? | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/merz-bei-trump-vertrauensbildung-im-weißen-haus/a-72810261?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Image caption | US-Präsident Donald Trump empfängt Bundeskanzler Friedrich Merz zu Gesprächen im Weißen Haus | ||
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Item 17 | |||
Id | 72803481 | ||
Date | 2025-06-05 | ||
Title | Trumps Travel Ban: Die USA schotten sich weiter ab | ||
Short title | Trumps Travel Ban: Die USA schotten sich weiter ab | ||
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US-Präsident Trump zieht die Grenzen wieder hoch: Neue Einreisebeschränkungen treffen 19 Länder - und sogar Harvard-Studierende. Wer jetzt nicht mehr in die USA einreisen darf - und warum das weltweite Folgen hat. Nicht ein neues Dekret, sondern eine Präsidialproklamation sorgt diesmal weltweit für Aufsehen. Das von Donald Trump am Mittwoch unterzeichnete Dokument mit dem Titel "Beschränkung der Einreise ausländischer Staatsangehöriger zum Schutz der Vereinigten Staaten vor ausländischen Terroristen und anderen Bedrohungen der nationalen und öffentlichen Sicherheit" soll am Montag (9. Juni, 0:01 Uhr) in Kraft treten. Neben klassischen Executive Orders (Dekreten) zählt auch die Präsidialproklamation zu den präsidialen Instrumenten, mit denen Trump den Willen der Regierung umsetzen kann - insbesondere in Fragen der nationalen Sicherheit und Einwanderung. Anders als Gesetze bedürfen solche Anordnungen keiner vorherigen Zustimmung des Kongresses, sie müssen sich aber auf gesetzlich eingeräumte Vollmachten stützen. Inhaltlich knüpft die Proklamation an frühere Einreisebeschränkungen aus Trumps erster Amtszeit an, die 2018 vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurden. Welche Länder sind vom Einreiseverbot betroffen?Ab dem 9. Juni gilt ein vollständiges Einreiseverbot für Personen aus Afghanistan, Äquatorialguinea, Eritrea, Haiti, dem Iran, dem Jemen, der Demokratischen Republik Kongo, Libyen, Myanmar, Somalia, dem Sudan und dem Tschad. Das Einreiseverbot betrifft alle Staatsangehörigen dieser Länder, unabhängig vom Zweck ihrer Reise, es sei denn, ihre Einreise wird vom US-Außenministerium als im nationalen Interesse der USA eingestuft. Zusätzlich zu den zwölf Ländern mit komplettem Einreiseverbot gibt es sieben Staaten mit teilweisen Beschränkungen: Burundi, Kuba, Laos, Sierra Leone, Togo, Turkmenistan und Venezuela. Für diese Länder gelten strengere Visumprüfungen und Einschränkungen, die je nach Fall variieren können. Beispielsweise könnten wohlhabende Geschäftsleute weiterhin einreisen dürfen, während für Touristen oder Studierende höhere Hürden gelten. Warum hat der Präsident diese Länder ausgesucht?In einem auf Social Media veröffentlichten Video hat Trump das neue Verbot mit einem Terroranschlag am Sonntag in Boulder, Colorado, verbunden. Dieser unterstreiche die Gefahren, die von einigen Besuchern ausgingen, die ihre Visa überzögen, so der Präsident. Der Verdächtige des Anschlags stammt allerdings aus Ägypten, einem Land, das nicht auf der Sperrliste steht. Der Mann soll Brandsätze auf Menschen geschleudert haben, die für die Freilassung der israelischen Geiseln aus der Gewalt der islamistischen Hamas im Gazastreifen auf die Straße gingen; zwölf Demonstranten wurden verletzt. Dem Heimatschutzministerium zufolge hatte er sein Touristenvisum überzogen. Laut Trump liefern die betroffenen Staaten nicht genügend Informationen über ihre Staatsangehörigen, um potenzielle Sicherheitsrisiken zu bewerten. Zu dieser Argumentation passt, dass zahlreiche Staaten auf der Liste bereits unter der Obama-Administration als "Quelle von Terrorismus" eingestuft wurden. Trump untermauert dies nun mit härteren Maßnahmen. Die US-Regierung kritisiert zudem, dass einige Länder ausreisepflichtige Staatsangehörige nicht zurücknähmen. Kritiker spekulieren, dass die Auswahl der Staaten auch politische und wirtschaftliche Gründe hat. Länder wie Saudi-Arabien, mit denen die Trump-Familie intensive geschäftliche Verbindungen pflegt, sind nicht betroffen. Zudem fällt auf, dass 12 der 19 Staaten, die in Trumps Travel Ban enthalten sind, zu den Ländern gehören, die er während seiner ersten Amtszeit Berichten zufolge als "Shithole Countries" ("Drecksloch-Länder") bezeichnet hatte. Wer ist vom Einreise-Verbot ausgenommen?Die Regelung enthält eine Reihe von Ausnahmen:
Welche Auswirkungen hat die US-Entscheidung?Staatsangehörige der genannten Länder dürfen ab dem 9. Juni 2025 nicht mehr in die USA einreisen, was Geschäftsreisen, Familienbesuche und Bildungsprogramme massiv einschränkt. Die Entscheidung dürfte auch wirtschaftliche Konsequenzen haben: Gerade sehr arme Länder wie Haiti oder der Jemen profitieren bislang stark von den Handelsbeziehungen mit den USA und auch von Rücküberweisungen von in den USA lebenden Staatsangehörigen. Menschenrechtsorganisationen verweisen auch auf humanitäre Folgen: Flüchtlinge und Asylsuchende aus Konfliktregionen verlieren nun den Zugang zu Schutzprogrammen in den USA. Welche Konsequenzen tragen ausländische Studierende?US-Präsident Trump hat auch spezifische Maßnahmen gegen neue ausländische Studierende an der Harvard-Universität angekündigt. Er sei zu dem Schluss gekommen, "dass es notwendig ist, die Einreise von ausländischen Staatsangehörigen zu beschränken, die ausschließlich oder hauptsächlich in die Vereinigten Staaten kommen", um an einem Studiengang oder einem Austauschprogramm von Harvard teilzunehmen, erklärte Trump. Fast allen ausländischen Staatsangehörigen, die an der Elite-Universität Harvard studieren wollen, wird daher per Dekret in den kommenden sechs Monaten die Einreise verweigert. Das US-Außenministerium wird zudem prüfen, ob Visa von Ausländern, die bereits eingeschrieben sind, aufgehoben werden sollten. Unlängst hatte die US-Regierung bereits Bundeszuschüsse in Milliardenhöhe für Harvard gestrichen - und plant nach eigenen Angaben die Kürzung aller verbleibenden Bundesmittel. Die Elite-Uni hatte sich Mitte April geweigert, Diversitätsprogramme wie von der Regierung gefordert abzuschaffen und seine Studierenden zu durchleuchten. Das Dekret könnte nun eine Reaktion auf die Blockade einer US-Bundesrichterin sein, die bislang die US-Regierung daran gehindert hat, Harvard die Aufnahme ausländischer Studierender zu untersagen. Reaktionen auf den Travel Ban und die Harvard-EntscheidungDie betroffenen Länder reagierten mit Besorgnis und Kritik. Einige, wie Somalia, signalisierten Bereitschaft zur Kooperation, während andere die Maßnahmen als diskriminierend und unbegründet ablehnen. Das autokratische regierte Venezuela hat eine Reisewarnung für die USA veröffentlicht. Die Auswahl der Länder wurde ebenfalls hinterfragt, insbesondere da einige Staaten mit bekannten Sicherheitsproblemen, wie Pakistan, nicht auf der Liste stehen. Trumps Maßnahmen gegen Harvard lösen bereits seit Wochen weltweit Reaktionen aus. Die deutsche Bundesregierung verurteilte das Vorgehen als "Einschränkung der Demokratie" und der Wissenschaftsfreiheit. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer schlug Harvard vor, einen "Exil-Campus" in Deutschland zu gründen, und betonte Deutschlands Offenheit, Studienqualität und Diversität. Ähnlich kritische Reaktionen gibt es aus zahlreichen anderen Staaten. Die Hochschule selbst bezeichnete das Vorgehen der US-Regierung als rechtswidrig. "Dies ist eine weitere illegale Vergeltungsmaßnahme der Regierung“, schrieb die Universität, die ihren Sitz in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts hat, auf ihrer Homepage. Präsident Alan Garber hatte schon zuvor betont, Harvard werde nicht über seine Unabhängigkeit oder verfassungsmäßigen Rechte verhandeln. |
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Short teaser | Neue Einreisebeschränkungen treffen 19 Länder. Wer jetzt nicht mehr in die USA einreisen darf - und was droht. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/trumps-travel-ban-die-usa-schotten-sich-weiter-ab/a-72803481?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Image caption | Regiert seit Amtsantritt vor allem per Dekret: US-Präsident Donald Trump | ||
Image source | Leah Millis/REUTERS | ||
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Item 18 | |||
Id | 72760799 | ||
Date | 2025-06-04 | ||
Title | Isar Valley: Warum München Startup Talente anzieht | ||
Short title | Isar Valley: Warum München Startup Talente anzieht | ||
Teaser |
In München treffen internationale Talente auf ein Ökosystem, das beim Gründen von Startups hilft. Hier gibt es Zugang zu Kapital, Know-how und Netzwerken, um aus Ideen erfolgreiche Unternehmen zu machen. Es ähnelt einer Suche nach dem richtigen Weg in einem Labyrinth, auf die sich Hunderte junge Gründerinnen und Gründer jedes Jahr in Europa begeben: Die Suche nach Chancen, Innovationen, aber auch nach Geld und Erfolg. Und die Suche nach dem Land und der Stadt, die ihnen den idealen Nährboden bietet. Am Ende dieser Suche steht für viele immer öfter Isar Valley. So wird der KI- und Tech-Standort München in Anlehnung an das Silicon Valley inoffiziell bezeichnet. München belegt im aktuellen Global Tech Ecosystem Index der Tech-Gesellschaft Dealroom weltweit Platz 17 unter den Gründermetropolen. Wenn es um hochleistungsfähige, innovative Ökosysteme geht, mit hohem Pro-Kopf-Output, belegt München sogar Platz 5, hinter der Bay Area um San Francisco, Boston, New York und Cambridge. Vom Hackathon zum StartupAuch die Griechen Nikos Tsiamitros und Georgios Pipelidis haben in München gegründet. "Eigentlich gab es keine persönlichen Gründe, nach München zu ziehen", sagte Nikos der Deutschen Welle. "Ich kannte niemanden hier, war vorher nie in der Stadt." Aber er hätte den hervorragenden Ruf der Technischen Universität München (TUM) gekannt. Tsiamitros kam aus Athen für sein Masterstudium, Pipelidis kam mit einem Zwischenstopp in Österreich für sein Doktorratsstudium an die TUM. "Hier haben wir angefangen, zusammen an einer Navigationssoftware für öffentliche Verkehrsmittel zu arbeiten", berichtet Pipelidis. Die beiden nahmen an einem Hackathon teil, einer Veranstaltung, bei der Programmierer sich für einige Tage oder Wochen zusammentun und bis zur Erschöpfung an der Entwicklung einer Software zusammenarbeiten. "Und unter all den Teilnehmenden haben wir gewonnen!" "Ab diesem Moment haben wir angefangen daran zu glauben, dass wir mit unserem Navigations- und Ortungsalgorithmus vielleicht sogar ein Startup gründen könnten", sagt Nikos. Ihre Neugründung nannten sie Ariadne. Sie gab in der griechischen Mythologie dem Helden Theseus den Ariadnefaden und führte ihn so durch das Labyrinth des Minotauros. Quasi die erste Navigationssoftware, wie Georgios Pipelidis sichtlich amüsiert sagt. UnternehmerTUM: Hilfe mit Rat und TatAber einen Algorithmus für ein Startup zu haben, ist die eine Sache. Wie man so ein Startup gründet, einen Businessplan erstellt und Kapital findet die andere. Für eben diese Fragen verfügt das Münchener Ökosystem über eine zentrale Anlaufstelle: UnternehmerTUM, das Gründungszentrum der TUM. "UnternehmerTUM hat uns beigebracht, wie wir ein Startup gründen und leiten", sagt Ariadne-Co-Gründer Pipelidis. So schaffte das Unternehmen bereits in den ersten Monaten einen Umsatz zu erzielen. Aus einer Navigationssoftware wurde ein KI-basiertes Personenzählungs- und Bewegungsanalyse-Tool, das unter anderem die Flughäfen von München, Glasgow und Los Angeles, die Städte Leverkusen, Bielefeld und Regensburg und mehrere Malls und Läden, darunter IKEA bedient. Mit Rat und Tat steht Barbara Mehner Startups wie Ariadne zur Seite. "Wir helfen frühphasige Startups in den Markt reinzukommen, indem wir sie mit Investoren, mit Mentoren und potenziellen Kunden vernetzten", sagt die Managing Partnerin des Inkubators Xpreneurs bei UnternehmerTUM. Liftbot Kewazo will Gerüstbau revolutionierenUnter den jährlich mehr als 100 Tech-Start-ups, die in München entstehen, ist das Liftbot-Startup Kewazo der Griechin Eirini Psallida. Auch diese Idee wurde bei einem Hackathon von UnternehmerTUM geboren. "Alle Branchen schienen uns durchautomatisiert zu sein, außer dem Baugewerbe", beschreibt Psallida die Ausgangsidee ihres Teams. Um die Arbeit auf dem Bau zu vereinfachen, hatte das Team ein Konzept für die Automatisierung des Gerüstbaus entwickelt. Ihr Startup nannten sie Kewazo, in Anlehnung an das griechische Wort für produzieren "kataskevazo". Heute ist der Liftbot im täglichen Einsatz auf großen Industriestandorten und Baustellen - vom BASF-Standort Ludwigshafen bis hin zu Erdölraffinerien in den USA. "Kaum vorstellbar, wie wir das ohne UnternehmerTUM geschafft hätten", räumt Eirini Psallida ein. Im Inkubator des Gründungszentrums hatte das Team Zugriff auf Hardware, Software, Anwälte und Berater. "Und wir hatten Hilfe, um öffentliche Gelder zu bekommen, ohne Equity des Unternehmens preiszugeben." Ein Viertel der Unicorn-Gründenden aus dem AuslandDas Team von Kewazo besteht aus sechs Gründenden aus vier Ländern und passt damit gut ins deutsche Startup-Ökosystem. Laut dem aktuellen Migrant Founders Monitor der Friedrich-Naumann-Stiftung und des Startup Verbandes hat ein nicht unerheblicher Anteil der Gründenden in Deutschland einen Migrationshintergrund. "14 Prozent der Startup-Gründer:innen sind im Ausland geboren. Unter Unicorns - Startups mit Milliardenbewertung - sind es sogar 23 Prozent", sagt Vanusch Walk, Senior Researcher des Startup Verbands und leitender Forscher der Studie. Migrantische Gründer zeichnen sich laut Studie besonders durch ihr starkes unternehmerisches Mindset, ihre Risikobereitschaft und ihre Resilienz aus. Eigenschaften, die beim Gründen notwendig sind. Gründende mit Migrationshintergrund haben höhere HürdenAllerdings haben migrantische Gründende in Deutschland laut der Studie auch große Hürden zu überwinden. "Ganz vorne steht das Thema Zugang und Netzwerke", so Walk. Gründende mit Migrationshintergrund hätten größere Probleme, die Bürokratie zu bewältigen und auch der Zugang zu Förderungen von öffentlichen und privaten Geldgebern ist schwieriger. Letzteres hat Georgios Pipelidis von Ariadne am eigenen Leib erfahren. Eine deutsche Venture Capital Firma hatte an eine Beteiligung die Voraussetzung geknüpft, ihn durch einen deutschen CEO zu ersetzen. Sie hätten einen Muttersprachler als "Aushängeschild" haben wollen, erinnert sich der Ariadne-Gründer. "Ich kann verstehen, dass man beim Kontakt mit Kunden lieber auf jemanden setzt, der akzentfrei Deutsch spricht, deswegen sind auch unsere Verkäufer alle Muttersprachler, aber mich deswegen selbst als CEO abzulösen? Das ging mir zu weit", sagt der Jungunternehmer. Letztendlich haben Georgios Pipelidis und Nikos Tsiamitros Starthilfe von einer griechischen Venture Capital Firma bekommen. Ihrer Begeisterung für die bayerische Landeshauptstadt hat allerdings selbst diese Erfahrung keinen Abbruch getan. Am langen Ende des Ariadnefadens steht für die beiden immer noch München. |
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Short teaser | Kapital, Know-how und Netzwerke: In München treffen Talente auf ein Ökosystem, das beim Gründen von Startups hilft. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/isar-valley-warum-münchen-startup-talente-anzieht/a-72760799?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Item 19 | |||
Id | 72704082 | ||
Date | 2025-06-02 | ||
Title | Erster Streik bei Ford in Köln in 100 Jahren - wie es jetzt weitergeht | ||
Short title | Erster Streik bei Ford in Köln - was nun folgt | ||
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Ford steckt in der Krise. Mehr als 10.000 Menschen streiken - zum ersten Mal in der 100-jährigen Geschichte des Kölner Ford-Werkes. Welche Auswirkungen hat die angespannte Lage auf Standort, Arbeitsplätze und Wirtschaft? Rot-weißes Flatterband versperrt an diesem Mittwochmorgen das Tor Vier am Ford-Werk in Köln. Zwei Zettel mit der Aufschrift "Streikbrecher Zugang über Tor 1" kleben an den Drehkreuzen. Doch Streikbrecher gibt es an diesem Tag kaum. Mehr als 10.000 der 11.500 Beschäftigten haben die Arbeit für 24 Stunden niedergelegt, sagt David Lüdtke der DW. Er ist Vertrauenskörperleiter der IG Metall bei Ford in Köln. Einer von ihnen ist Ahmet Cözmez, Entwicklungsingenieur in der Produktionsentwicklung bei Ford. "Wir sind verunsichert, wir sind nervös und angespannt", sagt der 30-Jährige der DW. Schon sein Großvater arbeitete am Fließband bei Ford, kam 1970 als sogenannter "Gastarbeiter" mit dem Zug aus Istanbul nach Köln. Sein Vater arbeitete bei dem US Autobauer als Produktionsarbeiter, freigestellter Betriebsrat und saß für die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat von Ford. "Diese Ford-DNA steckt halt in uns", sagt Cözmez. Die ältere Generation in seiner Familie war immer der Meinung: einmal bei Ford, immer bei Ford - wer bei Ford anfängt, geht auch dort in Rente. Doch jetzt will das US-Unternehmen 2900 Stellen im Kölner Werk abbauen. Breite Solidarität mit den Arbeitern bei FordMehr als zwei Wochen ist der Streik jetzt her. Es war der erste offizielle Streik in der Geschichte des Kölner Ford-Werks. Es gab zwar bereits 1973 einen "wilden Streik" von Arbeitnehmern aus der türkischen Community, aber dieser wurde von keiner etablierten Gewerkschaft organisiert. Nicht nur die Ford-Belegschaft war bei dem Streik Mitte Mai vor Ort: Aus ganz Deutschland kamen IG-Metall-Mitglieder, Arbeiter aus dem Bergbau und aus der Chemiebranche. Sie alle waren angereist, um ihre Unterstützung zu zeigen. Es gab sogar internationale Solidaritätsbekundungen. Viele seien hoffnungsvoll und bereit für ihre Arbeitsplätze zu kämpfen, doch die Unsicherheit bleibe, erklärt der Ford-Entwicklungsingenieur Cözmez der DW. Ford schwächeltBranchenexperten sehen eine düstere Zukunft für Ford in Europa: "Die Lage ist schlecht und die Perspektive noch schlechter", sagte der Direktor des Bochumer Autoinstituts CAR, Ferdinand Dudenhöffer. Ford sei im PKW-Bereich zu klein, als dass es in Europa ertragreich arbeiten könnte. Fords Europageschäft schreibt schon seit Langem Verluste. Zwar war der in Köln produzierte Kleinwagen Ford Fiesta lange ein Verkaufserfolg, aber 2023 wurde die Produktion eingestellt, um Platz für elektrische Modelle zu machen. Mittlerweile stellt Ford in Köln zwei Elektroautos her, doch der Verkauf blieb auch hier deutlich hinter den Erwartungen zurück. Investitionen von etwa zwei Milliarden Euro in die neue Elektroauto-Produktion rechneten sich bisher nicht. "Deutsche Autobauer haben spät auf Elektromobilität umgestellt. Ford tut sich bei der Elektromobilität scheinbar noch schwerer", erklärt Anita Wölfl der DW, Fachreferentin am ifo Zentrum für Innovationsökonomik und digitale Transformation. Wirtschaftliche Lage trifft auch AutobrancheNicht nur der US-Konzern Ford, auch Autobauer wie Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW schwächeln. Vor allem die Automobilbranche bekommt wirtschaftliche Einbrüche zu spüren. Wenn das Geld knapp ist, kann man auf Brot nicht verzichten - aber schon auf ein neues Auto. Deutschland befindet sich jetzt schon das zweite Jahr in Folge in einer Rezession. "Das merkt die Autoindustrie", so Wölfl zur DW, es gebe eine gewisse Kaufzurückhaltung bei den Menschen. Internationale Folgen befürchtetDie Kölner Ford-Krise könnte Kreise ziehen, die auch international zu spüren sind. Eine schwächelnde deutsche Autoindustrie habe auch Auswirkungen auf viele andere Branchen, erklärt die ifo-Fachreferentin Wölfl - "und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit." "Hinzu kommt noch der Trump-Effekt: Die US-Zölle auf Fahrzeuge und Fahrzeugteile schaden der Autoindustrie", so Wölfl. Denn die Automobilindustrie sei charakterisiert durch eine komplexe, international vernetzte Wertschöpfungskette. "Selbst wenn es ein Unternehmen nicht direkt trifft, können die Zölle indirekte Auswirkungen haben." Kampf um SicherheitAuch wenn es bei Ford schlecht aussieht, kämpft die Gewerkschaft weiter für den Erhalt der Arbeitsplätze und für die Zukunft von Ford, so David Lüdtke von der IG Metall. Doch für den Fall, dass dies nicht gelingen sollte, will die IG Metall faire Abfindungen, Transfermaßnahmen und ein starkes, insolvenzgeschütztes Sicherheitsnetz für alle Beschäftigten durchsetzen. Das ist auch deswegen so wichtig, da der US-Konzern Ford die sogenannte "Patronatserklärung" gekündigt hat. Mit der Erklärung aus dem Jahr 2006 stand der US-Mutterkonzern für die Schulden der deutschen Tochter ein. Mit dem Ende der Patronatserklärung befürchten IG Metall und der Betriebsrat, dass nun auch die von ihnen durchgesetzte Beschäftigungssicherung bis 2032 in Gefahr ist. Gewerkschaft kämpft weiterTrotz der vielen Unsicherheiten - der Streik scheint Wirkung gezeigt zu haben. "Auch wenn wir noch kein Ergebnis haben - die Verhandlungen haben sich seitdem weiter nach vorne, in unsere Richtung bewegt", erklärt Lüdtke von der IG Metall . Details zur Einigung sind bisher keine bekannt, aber man habe sich mit der Deutschen Geschäftsführung auf Eckpunkte für weitere Verhandlungen verständigt, hieß es von der Gewerkschaft IG Metall Köln. "Nach der Abstimmung mit der Konzernzentrale in den USA wird dann entschieden, wie es weitergeht: Ob wir weiterverhandeln oder es weitere Arbeitskampfmaßnahmen gibt", so Lüdtke. |
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Short teaser | Mehr als 10.000 Streikende bei Ford in Deutschland. Welche Folgen hat die Krise auf Werk, Jobs und Wirtschaft? | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/erster-streik-bei-ford-in-köln-in-100-jahren-wie-es-jetzt-weitergeht/a-72704082?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Image caption | In den früheren Morgenstunden Mitte Mai startete die Belegschaft ihren 24-Stunden-Streik | ||
Image source | Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance | ||
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Item 20 | |||
Id | 72739057 | ||
Date | 2025-06-02 | ||
Title | Wie Frankreichs Milliardäre die Politik beeinflussen | ||
Short title | Wie Frankreichs Milliardäre die Politik beeinflussen | ||
Teaser |
Der französische Milliardär Pierre Édouard Stérin steckt Millionen Euro in Initiativen, die Rechtsaußen-Ansichten propagieren. Er ist nur die Spitze des Eisberges. Manche fordern deswegen strengere Regeln. Die Anhörung des französischen Milliardärs Pierre Édouard Stérin war mit großer Spannung erwartet worden. Dabei sollten Details eines "regelrechten Ökosystems der politischen Eroberung" enthüllt werden, so ein Mitglied des parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Man wollte den Unternehmer - ihm gehört die Firma Smartbox, die Erlebnisgeschenke anbietet - zu seinem "Périclès"-Projekt befragen, durch das er schon knapp 30 Millionen Euro in Initiativen investiert hat, die tief konservative Werte vertreten. Doch der Stuhl des Franzosen in einem Saal der Nationalversammlung blieb leer. "Gestern hat Herr Stérin uns mitgeteilt, dass er per Videolink aussagen wolle - aus Sicherheitsgründen", sagte Thomas Cazenave, Abgeordneter der Regierungskoalition "Ensemble!" und Vorsitzender des Ausschusses. "Ich antwortete, wir hätten Schutz-Maßnahmen ergriffen wie für Parlamentarier, die regelmäßig bedroht werden." Cazenave bedaure diese "Hinhaltetaktik". So könne man nicht prüfen, ob Périclès französische Gesetze zur Parteienfinanzierung einhalte. Stérin ist nicht der einzige Milliardär, der versucht, die politische Meinung in Frankreich nach rechts zu lenken. Manche fordern deswegen strengere Regeln. Rechtsaußen-InkubatorPériclès' Generaldirektor war indes zu seiner Anhörung eine Woche zuvor angetreten. "Die wirtschaftliche, gesellschaftliche und moralische Situation unseres Landes ist kritisch", sagte Arnaud Rérolle dem Ausschuss. "Wir sind ein Inkubator rechts am politischen Spektrum für metapolitische Projekte. Bisher haben wir weniger als 15 Prozent von 600 Bewerbungen unterstützt." Dazu gehören das Rechtsaußen-Magazin "L'Incorrect" und die "Beobachtungsstelle zur Dekolonisierung", die unter anderem eine angebliche Aufklärungsfeindlichkeit à la "Woke" anprangert. Woke-Bewegungen machen sich gegen Diskriminierungen stark. Rérolle legte jedoch nur einen Teil der geförderten Projekte offen. Er fügte hinzu, dass Périclès keine Wahlkandidaten finanziere. Das ist laut französischem Gesetz nur Parteien gestattet. "Problem für die Demokratie"Pierre-Yves Cadalen findet Rérolles Aussagen zu schwammig. Der Abgeordnete der Linksaußen-Partei Ungebeugtes Frankreich (LFI) ist Vizepräsident der Untersuchungskommission. "Die Zeitung L'Humanité hat ein internes Dokument veröffentlicht, laut dem Périclès der Rechtsaußenpartei Rassemblement National (RN) helfen will, bei den Kommunalwahlen 2026 300 Städte zu erobern", sagt Cadalen gegenüber DW. Rérolle bestätigte bei der Anhörung, dass das Dokument echt sei - nannte es jedoch "überholt". Dem Schriftstück gemäß will man über zehn Jahre hinweg 150 Millionen Euro ausgeben, um Islamismus, Einwanderung und Gender-Ideologie zu bekämpfen, und auf einen Sieg bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2027 hinzuarbeiten. RN-Chef Jordan Bardella und RN-Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen seien dabei "Vertrauens-Personen". "Es ist ein Problem für die Demokratie, wenn Milliardäre derart in das politische Leben eingreifen", sagt Cadalen und meint dabei nicht nur Stérin. In Frankreich gehören elf Milliardären 80 Prozent der Tagespresse. Ihre Fernseh- und Radiosender vereinen mehr als die Hälfte der Zuschauer- und Hörerzahlen. Ebenfalls im Fokus steht Vincent Bolloré. Er ist Mehrheitsaktionär einer Logistik- und Kommunikationsgruppe, die seinen Namen trägt. Bolloré, erklärt Cadalen, übe "großen Einfluss aus: durch seinen Nachrichtensender Cnews, den Radiosender Europe 1, die Wochenzeitung JDD und das Umfrageinstitut CSA. Gemeinsam haben diese Medien Schlagkraft und verbreiten Meinungen am rechten Rand, die andere Medien übernehmen." In der Form habe es das bisher nicht gegeben, sagt Abel François, Professor für politische Ökonomie an der Universität Straßburg. "Früher haben Milliardäre Medien gekauft, um zum Beispiel Politiker dazu zu bringen, sie in öffentlichen Ausschreibungen zu begünstigen", sagt er zu DW. "Heute will man eine gewisse Ideologie verbreiten." Offiziell behauptet Bolloré, keinen Einfluss auf den Inhalt seiner Medien zu nehmen. Eine DW-Interviewanfrage an ihn blieb unbeantwortet - genauso wie die an Périclès. Der Zorn des ImperiumsDie Marktkonzentration der Medien hat dabei weitreichende Auswirkungen. "Es herrscht eine gewisse Selbstzensur unter Journalisten in Bezug auf diese Milliardäre. Man könnte es sich schließlich mit einem potenziellen künftigen Arbeitgeber verderben", sagt Amaury de Rochegonde, Wirtschaftsjournalist beim Wochenmagazin Stratégies und dem Radiosender RFI, zu DW. Bolloré und Stérin vereinten zudem ihre Kräfte. "Die beiden haben sich getroffen und scheinen eine Union der Rechten, also des konservativen Flügels der Republikaner mit dem RN, zu wollen." Was es heißt, diesem Imperium vor das Schienbein zu treten, hat Alexis Lévrier, Medienhistoriker an der Universität Reims, hautnah erlebt. "Ich habe Tausende Nachrichten bekommen - Beschimpfungen, aber auch Morddrohungen, unter anderem von einem Waffenhändler", erklärt er. Auslöser war ein Interview Ende Februar. Darin hatte Lévrier gefordert, CNews, genauso wie C8, einem anderen Sender Bollorés, die Lizenz zu entziehen. C8 hatte zuvor Dutzende Verwarnungen unter anderem wegen Sexismus und Homophobie bekommen. Das Interview mit DW ist eins von Lévriers ersten seit dem Vorfall. "Viele meiner Forscher-Kollegen trauen sich nicht mehr, etwas gegen das Bolloré-Imperium zu sagen. Auch Frankreichs Kulturschaffende sind still geworden. Traditionell waren sie Verfechter humanistischer Werte", sagt er. Doch für Hervé Joly, Historiker am staatlichen Forschungsinstitut CNRS, sind Stérin und Bolloré Ausnahmen. "Der RN hat kaum öffentliche Fürsprecher unter Unternehmern", meint er zu DW. "Historisch haben Arbeitgeber die extreme Rechte nicht unterstützt, bevor sie an die Macht kam. Unternehmer setzen sich gewöhnlich für etablierte, konservative Parteien ein. Heute sind viele von ihnen fortschrittlich, für Gleichberechtigung und den Kampf gegen den Klimawandel." Anders wäre es womöglich, wenn die extreme Rechte an die Macht käme. "In Deutschland haben Unternehmer dann mit Hitler zusammengearbeitet und zur Konsolidierung seiner Macht beigetragen", so Joly. Für den Parlamentarier Cadalen herrscht jedoch bereits Alarmstufe rot. "Wir brauchen Gesetze gegen die Konzentration im Markt der Medien", sagt er. "Diese sind Plattformen für reaktionäre Kräfte, die unseren Rechtsstaat auseinandernehmen wollen, wie in den USA." Dort ignoriert der wiedergewählte Präsident Donald Trump Gerichtsurteile, die nicht in seinem Sinne sind. Sender wie FoxNews befürworten das. Für Ensemble!-Abgeordnete Eléonore Caroit, ebenfalls Mitglied des Ausschusses, sind neue Gesetze nicht die Lösung. "Man kann Projekte wie Périclès bekämpfen, indem man sie offen legt", sagt sie zu DW. "Deswegen ist Stérin wohl auch nicht zur Anhörung gekommen." Dafür drohen dem Milliardär jetzt zwei Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von 7500 Euro. |
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Short teaser | In Frankreich werden Stimmen laut, die Medienmacht von Milliardären zu beschränken. | ||
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Image caption | Viele Reiche in Frankreich unterstützen Rechtsaußenpolitiker wie RN-Chef Bardella - im Bild rechts neben Präsident Macron | ||
Image source | Hermann Wirt/Grafik DW/Reuters | ||
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Item 21 | |||
Id | 72685652 | ||
Date | 2025-05-27 | ||
Title | Renten in Europa - Wie lange müssen wir arbeiten? | ||
Short title | Renten in Europa - Wie lange müssen wir arbeiten? | ||
Teaser |
In Dänemark soll länger gearbeitet werden: Ab 2040 sollen die Dänen erst mit 70 Jahren in Rente gehen. Obwohl die verschiedenen Rentenkonzepte in Europa schlecht vergleichbar sind, fürchten manche einen neuen Trend. Geht ein Erwerbsleben dem Ende zu, stehen viele Noch-Erwerbstätige und Bald-Ruheständler vor der Frage: Reicht die Rente? Kann ich mir einen Ruhestand überhaupt leisten oder muss doch noch weiterarbeiten? Droht die Altersarmut? In Dänemark will man das Problem mit einer nicht gerade originellen Maßnahme begegnen, die Widerspruch geradezu herausfordert. Das Parlament in Kopenhagen verabschiedete ein Gesetz zur Anhebung des Rentenantrittsalters. 81 Angeordnete stimmten dafür, 21 dagegen. Das neue Gesetz legt den Rentenbeginn für alle nach dem 31. Dezember 1970 geborenen Bürger auf 70 Jahre fest. Derzeit liegt er in Dänemark bei 67 Jahren. Bis 2030 soll das Pensionseintrittsalter auf 68 Jahre steigen, 2035 soll es 69 Jahre betragen. Die 47-jährige sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hatte im vergangenen Jahr erklärt, sie sei bereit, das System zu überprüfen, sobald das offizielle Renteneintrittsalter 70 Jahre erreicht habe. Man sieht im internationalen Vergleich, wie unterschiedlich der Renteneintritt geregelt ist. Bemerkenswert ist, dass in manchen Ländern die Menschen sogar länger arbeiten, als sie es müssten. Modell für Deutschland?Die neue Bundesregierung in Berlin ist derzeit noch in einer "Findungsphase" - viele Details sind noch offen. "Wir haben in den Koalitionsvertrag viele richtige Dinge aufgeschrieben", lobte Bundeskanzler Friedrich Merz sich und die Seinen auf einem Landesparteitag der CDU in Stuttgart. So ist auch die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme nicht geklärt. Aber: "So wie es heute ist, kann es allenfalls noch für ein paar wenige Jahre bleiben", so der Kanzler. Jetzt gehe es um eine grundlegende Reform der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Das dänische Modell hatte vor rund einer Woche bereits der frühere Regierungsberater Bernd Raffelhüschen ins Gespräch gebracht: "Wir sollten das Rentenzugangsalter sehr schnell auf 70 erhöhen, damit wir mindestens von den geburtenstarken Jahrgängen noch einige erwischen", sagte er der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Bis 2035 würden jedes Jahr eine Million Bundesbürger aus dem Erwerbsleben ausscheiden, was die Rentenbeiträge für Jüngere steigen lasse. Beveridge versus BismarckBei der Finanzierung von Rentensystemen gibt es zwei Schulen, die mit den Namen ihrer Theoretiker oder Initiatoren benannt werden: Die Sozialgesetzgebung von Reichskanzler Otto von Bismarck aus dem neunzehnten Jahrhundert und das Beveridge-Modell, das in den 1940er Jahren formuliert wurde. Dieses Modell ist ein Fürsorgesystem, das die gesamte Bevölkerung absichert und aus Steuermitteln finanziert wird. Es basiert auf den Berechnungen des britischen Ökonomen William Henry Beveridge, der damals zur liberalen Fraktion im britischen Parlament gehörte. Demgegenüber steht das Bismacksche Modell, das als Versicherungssystem eine Kasse vorsieht, in die Arbeiter und Arbeitgeber einzahlen. Vereinfacht gesagt, handelt es sich dabei um ein Umlagemodell, in dem die arbeitende Bevölkerung mit ihren Beiträgen die Renten der nicht mehr berufstätigen Mitbürger finanzieren. Ein Vergleich der Rentensysteme in Europa ist nur sehr eingeschränkt möglich, da in mehreren Ländern eine Mischung aus Bismarck- und Beveridge-Modell existiert. Zudem unterscheiden sich die mitunter sehr komplizierten Details von Land zu Land. Der demografische PferdefußBeim in Deutschland angewendeten Bismarckschen Prinzip gibt es einen Pferdefuß, der immer deutlicher zutage tritt: die Überalterung der Gesellschaft. Es gibt immer mehr Rentenempfänger und immer weniger Beitragszahler - das sind Menschen, die einem sozialversicherungspflichtigen Beruf nachgehen. Außerdem leben die Beitragsempfänger wegen der gestiegenen statistischen Lebenserwartung länger - beziehen also mehr Rente. Das hat zur Folge, dass die umlagefinanzierten Rentenkassen immer stärker belastet werden. Die Konsequenz ist, dass entweder die Beiträge immer weiter steigen müssen (s.o.) oder die Renten nicht mehr steigen können, um die Inflation auszugleichen. Oder, dass das Rentenniveau insgesamt sinkt. Manche wollen länger arbeitenEin kürzeres Berufsleben und ein früherer Eintritt in das Rentnerdasein sind natürlich verlockend. Man kann aufhören, bevor der Körper den Anforderungen nicht mehr gewachsen ist. Man kann im "letzten Lebensdrittel" eine sinnvolle und individuell erfüllende Tätigkeit aufnehmen oder schlicht mehr Zeit mit der Familie verbringen. Aber auch ökonomisch ist das durchaus segensreich: Menschen mit mehr Zeit haben auch mehr Gelegenheit, Geld auszugeben. Vorausgesetzt, die Rente gibt das her. Es könnte so der private Konsum gefördert werden, was wieder der Konjunktur zugute käme. Doch länger zu arbeiten kann auch Vorteile haben: Viele Menschen fühlen sich auch mit Mitte 60 noch fit und machen ihre Arbeit gern. Sie möchten ihre Erfahrungen weitergeben und auch weiterhin mit jüngeren Menschen in Kontakt bleiben. Und Arbeitgeber profitieren, wenn angelerntes Wissen und erworbene Routinen nicht verloren gehen. Außerdem könnte das dem Fachkräftemangel wenigstens ein wenig entgegenwirken. Mal früher, mal späterDer Blick auf die zuerst gezeigte Statistik offenbart, dass das gesetzliche Renteneintrittsalter nur in ganz wenigen Fällen auch dem tatsächlichen Ende der Berufstätigkeit entspricht: In den meisten Fällen gehen die Menschen früher in Rente. Sei es, weil ihr Körper einfach nicht mehr mitmachen will oder, besonders in kreativen Berufen, weil sie ausgebrannt sind. In einigen wenigen Fällen arbeiten die Menschen auch über das Renteneintrittsalter hinaus - zum Beispiel in Neuseeland oder Japan, aber auch in Schweden oder Griechenland. Ob sie es aus freien Stücken tun? Die Gründe dafür sind wohl teilweise so privater Natur, dass sie sich innerhalb einer statistischen Erhebung nicht darstellen lassen. Gesellschaftlicher SpagatEs gibt jedoch Rahmenbedingungen, die sich verändern lassen. Da ist zum Beispiel die Bruttoersatzquote, die Höhe der Rente im Verhältnis zur Höhe des letzten Arbeitslohns. Ist dieser Abstand zu groß, kann es sich mancher Arbeitnehmer kaum leisten, in Rente zu gehen. Das Gespenst der Altersarmut ließe sich vertreiben, wenn das Rentenniveau so angepasst würde, dass es nach einem langen Berufsleben zu einer auskömmlichen Rente reicht. Doch das kostet viel Geld, das in der Rentenkasse nicht vorhanden ist. Auf der anderen Seite darf die monatliche Belastung der Beitragszahler nicht immer weiter steigen, weil das ihre Möglichkeiten zunichte machen würde, auch privat für eine Altersversorgung zu sparen. |
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Short teaser | Ab 2040 sollen die Dänen erst mit 70 Jahren in Rente gehen. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/renten-in-europa-wie-lange-müssen-wir-arbeiten/a-72685652?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Image caption | Auch um Altersarmut zu vermeiden, arbeiten immer mehr Rentner trotz Rentenbezugs weiter | ||
Image source | Dwi Anoraganingrum/Geisler-Fotop/picture alliance | ||
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Item 22 | |||
Id | 72670775 | ||
Date | 2025-05-26 | ||
Title | Diskriminierung - Beenden Unternehmen Diversitäts-Programme? | ||
Short title | Diskriminierung - Beenden Unternehmen Diversity-Programme? | ||
Teaser |
Trump gegen Diversity: In den USA haben einige Unternehmen ihre Anti-Diskriminierungs Programme reduziert oder beendet. Auch in Europa werden Konzerne unter Druck gesetzt. Steht Vielfalt am Arbeitsplatz vor dem Aus? Ist das Thema Diversität (diversity) am Ende, weil Donald Trump das so will? Einige namhafte US-Konzerne wie die Facebook-Mutter Meta und der Google-Konzern Alphabet, der Autobauer Ford und die Kaffeehauskette Starbucks haben ihre Diversitätsprogramm bereits runtergefahren. Auch verschiedene Firmen in europäischen Ländern, die Geschäfte mit den USA machen, wurden aufgefordert, auf einem Fragebogen zu bestätigen, dass sie sich nicht weiter für Diversität, Gleichstellung und Inklusion (diversity, equitiy and inclusion, kurz DEI) engagieren. In Deutschland sind erste Unternehmen eingeknickt. So haben VW und die Deutsche Telekom ihre Diversitätsprogramme in den USA reduziert oder eingestellt. Der Softwarekonzern SAP hat sich von der Frauenquote in Deutschland verabschiedet. Viele deutsche Unternehmen bemühen sich weiterhin um DiversityNur Einzelfälle? In Deutschland machte Ende April eine Schnellumfrage der "Charta der Vielfalt" Hoffnung. Sie ist Deutschlands größte Arbeitgebendeninitiative zur Förderung von Vielfalt in der Arbeitswelt, die von mehr als 6000 Unternehmen und Institutionen unterzeichnet wurde. Von den 100 befragten Organisationen und Unternehmen gaben 90 Prozent an, ihre DEI-Programme unverändert beibehalten zu wollen. "Wir haben eine Liste mit über 800 Unternehmen, die die Charta unterzeichnen wollen", sagt Cawa Younosi, Geschäftsführer der Charta. Das sei ein Rekord. Auch beim Deutschen Diversity Tag hätten sich ähnlich viele Unternehmen auf dem linkedin-Kanal registriert. "Also man sieht, wenn man die großen Namen mal beiseite lässt, ist schon eine "jetzt-erst-recht"-Stimmung bemerkbar in Deutschland." Laut der Nachrichtenagentur dpa geben einige große Unternehmen wie BMW oder Henkel an, sie würden die Situation genau beobachten. Von Siemens heißt es beispielsweise, es gebe zurzeit "keine Notwendigkeit zur Veränderung unserer Bemühungen hinsichtlich vielfältiger Teams und eines inklusiven Arbeitsumfelds aufgrund der aktuellen Entwicklungen". Andere, wie die britische Kosmetikkette Lush geben sich offen kämpferisch. "Lush beugt sich diesem Druck nicht - im Gegenteil. Wir verstehen ihn als Ansporn, unsere Haltung noch entschlossener sichtbar zu machen", heißt es von dem Unternehmen auf Nachfrage. "DEI steht im Zentrum unserer Unternehmensidentität." Auch Cawa Younosi berichtet, ihm sei von mehreren Vorständen gesagt worden, sie rechneten eher damit, dass das US-Geschäft darunter leiden könnte, dass ihr Unternehmen ein europäisches sei, als darunter, dass sie DEI- Programmen fortführten. Finden sich in US-Unternehmen noch DEI Programme?Auch in den USA gibt es Unternehmen, die bislang ein Fels in der Brandung bleiben. So setzt sich Apple weiterhin für eine diverse vielfältige Firmenkultur ein. "Because we're not all the same. And that remains one of our greatest strengths,” heißt es auf der Internetseite. ("Weil wir nicht alle gleich sind. Und das bleibt eine unserer größten Stärken"). Auf der Hauptversammlung hatten fast alle Anteilseigner dafür gestimmt. Auch Microsoft und Costco bekennen sich weiterhin zu DEI Programmen. Und es seien mehr, als man denkt, meint Younosi von der "Charta für Vielfalt": "Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen in den USA, also rund 75 Prozent, haben ihre Diversitätsbemühungen nicht geändert." Guckt man allerdings auf die großen US-Unternehmen, sieht das Bild nicht rosig aus. Laut einem Bericht der Financial Times im Märzhaben von den 400 größten Unternehmen im S&P 500-Index 90 Prozent, die seit der Wahl Trumps einen Jahresbericht vorgelegt haben, einige Verweise auf DEI gestrichen. Viele haben den Begriff auch ganz weggelassen. Stattdessen betonen sie "Inklusion" oder ‚Zugehörigkeit‘ und dass sie eine Kultur anstreben würden, in der sich "alle Mitarbeiter" wohlfühlen. Langer Kampf für Vielfalt am Ende?Ist damit die Förderung von benachteiligten Gruppen in der Sackgasse gelandet? Seit 1964 ist in den USA per Gesetz festgelegt, dass Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund von Ethnie, Religion, Geschlecht, Hautfarbe und Herkunft verboten ist. Seitdem haben sich Unternehmen für Vielfalt und gegen Diskriminierung engagiert. Einen Schub bekam das DEI-Engagement in den USA noch einmal ab 2020 im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung. Dieses "woke" Engagement würde laut US-Präsident Donald Trump andere diskriminieren, nämlich weiße, mittelalte Männer. Mit Beginn seiner zweiten Amtszeit hat er per Dekret DEI-Programme in staatlichen Einrichtungen beendet. Ein anderes Dekret bezeichnet DEI-Programme im privatwirtschaftlichen Bereich als verfassungswidrig und diskriminierend. Unternehmen, die solche Programme fortführen, könnten mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Konsequenzen fürchten auch Unternehmen außerhalb der USA. Sie sorgen sich, keine Regierungsaufträge mehr zu bekommen, wenn sie sich nicht von DEI Programmen lossagen. Auch die Genehmigung von Übernahmen scheint mit dem Kampf gegen "woke" verknüpft zu sein. So wurde im Fall von T-Mobile US die Übernahme des Kabelnetzbetreibers Lumos am Tag, nachdem die Deutsche-Telekom-Tochter ihre Diversitäts-Initiativen weitgehend gestrichen hatte, genehmigt. Geht es auch ohne DEI Programme divers?SAP-Vorstandschef Christian Klein will beispielsweise die Programme für mehr Vielfalt innerhalb des Konzerns fortführen und weiterentwickeln - obwohl er sich von der Frauenquote verabschiedet hat. "Am Ende zählt das, was wir in der Realität tun, für das Thema Diversität." Die Frage ist nur, wieviel passiert in der Realität ohne spezielle Maßnahmen? Siri Chilazi, Forscherin für Geschlechtergerechtigkeit an der Harvard University, sagt gegenüber der BBC, dass es keinen historischen Präzedenzfall gebe, der darauf hindeutet, dass sich rassische und geschlechtsspezifische Ungleichgewichte von selbst korrigieren. Schaut man in Deutschland auf das Beispiel "Inklusion von Menschen mit Behinderung" zeigt sich, dass auch Gesetze nicht uneingeschränkt für Inklusion sorgen können. Ende 2024 zeigte das Inklusionsbarometer "Arbeit" der Aktion Mensch und des Handelsblatt Research Institutes, dass jedes vierte Unternehmen in Deutschlande keinen Menschen mit Behinderung beschäftigt. Dabei ist per Gesetz geregelt, dass Unternehmen mit 20 Mitarbeitenden und mehr mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderung vergeben müssen. Allerdings werden Arbeitgeber von dieser Pflicht befreit, wenn sie eine sogenannte Ausgleichsabgabe bezahlen. Auch wenn dadurch Geld in die Kasse kommt, wäre Betroffenen mit einem Arbeitsplatz mehr geholfen. Vielen Unternehmen ändern nur ihre WortwahlMichelle Jolivet sagt laut einem BBC-Bericht, US-Unternehmen hätten ihre DEI-Programme zwar scheinbar eingestellt, sie aber nicht wirklich abgeschafft. Stattdessen benennen sie sie lediglich um und organisieren sich neu, um möglichen Klagen zu entgehen. Auch von der "Charta der Vielfalt" heißt es, die überwiegende Mehrheit, also rund drei Viertel der US-Unternehmen, hätten ihre DEI Politik nicht verändert. In Deutschland beobachtet Michael Eger, Partner beim Beratungsunternehmen Mercer Deutschland: "Wir sehen, dass sich bei vielen Unternehmen zwar die Kommunikation verändert, nicht jedoch ihre Haltung und Maßnahmen, die sie weiterverfolgen." Auch in Branchen, in denen Fachkräftemangel herrsche und Stellen schwer bzw. nicht besetzt werden könnten, würden zunehmend Initiativen gestartet, um attraktiver für Frauen, für Menschen mit Migrationshintergrund oder für ältere Mitarbeitende zu werden, so Eger gegenüber DW. |
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Short teaser | Trump gegen Diversity: US- und EU-Konzerne stoppen DEI-Programme. Steht Vielfalt am Arbeitsplatz vor dem Aus? | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/diskriminierung-beenden-unternehmen-diversitäts-programme/a-72670775?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Image caption | Geschlecht, Herkunft, Religion - Mit Diversitätsprogrammen wollen Unternehmen Diskriminierung verhindern und dafür sorgen, dass alle Mitarbeitenden die gleichen Chancen haben | ||
Image source | benis arapovic/picture alliance | ||
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Item 23 | |||
Id | 72628737 | ||
Date | 2025-05-24 | ||
Title | Fünf Jahre George Floyd: Wo steht Black Lives Matter heute? | ||
Short title | Fünf Jahre George Floyd: Wo steht Black Lives Matter heute? | ||
Teaser |
Vor fünf Jahren erschütterte die Tötung des US-Amerikaners George Floyd die Welt - und machte Black Lives Matter zur globalen Protestbewegung. Heute steht BLM unter wachsendem Druck, nicht zuletzt durch Donald Trump. Wo einst der grell-gelbe Schriftzug "Black Lives Matter" auf dem Asphalt leuchtete, schieben sich heute wieder schwere SUVs durch die Straße. Republikaner im US-Kongress hatten sich an dem ikonischen Bild gestört; im März wurde es schließlich entfernt. Keyonna Jones steht mitten auf dieser einst berühmten 16th Street in Washington, D.C. "Ich fühle Dankbarkeit, bin überwältigt und enttäuscht - aber gleichzeitig auch gestärkt", sagt die Künstlerin der DW. Vor rund fünf Jahren hatte sie in einer nächtlichen Aktion gemeinsam mit anderen Künstlern die riesigen Buchstaben auf den Asphalt gepinselt. Erst im Morgengrauen, als Fremde stehen blieben und mithelfen wollten, begriff sie, dass sie Teil von etwas Größerem geworden war. "Innerhalb von 24 Stunden war der Schriftzug überall auf der Welt zu sehen. Das hat mich erfüllt und mir Kraft gegeben", sagt sie. "So entsteht Veränderung." Mord an George Floyd löst Proteste aus - weltweitDie Veränderung, die Keyonna Jones will, ist Gerechtigkeit. Denn genau vor fünf Jahren starb der Afroamerikaner George Floyd bei einer brutalen Polizeikontrolle - qualvoll erstickt unter dem Knie eines Polizisten. Knapp neuneinhalb Minuten dauerte sein Todeskampf, minutiös dokumentiert von einer Handykamera. Immer wieder war Floyds "I can't breathe" ("Ich kann nicht atmen") zu hören. Das Video aus Minneapolis ging um die Welt. Bald gingen Hunderttausende gegen rassistische Polizeigewalt auf die Straße und forderten tiefgreifende Reformen. Die "Black Lives Matter"-Bewegung wurde zur wahrscheinlich größten Protestbewegung der US-Geschichte. Endlich im Fokus: PolizeigewaltAuch außerhalb der USA schlug Floyds Tod hohe Wellen. Ab Juni 2020 fanden weltweit Proteste statt - wenn auch mit unterschiedlichem Fokus. Aktivisten in Brasilien und Kolumbien nutzten die BLM-Bewegung, um auf rassistische Polizeigewalt gegen indigene und afro-lateinamerikanische Gemeinschaften aufmerksam zu machen. In Europa konnte die BLM-Bewegung vor allem in Deutschland, Dänemark und Italien zehntausende Menschen mobilisieren. Die Proteste hätten gezeigt, dass es "ein wachsendes Problembewusstsein" gebe, erklärt der Sprecher der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, Tahir Della, der DW. "Der Tod von George Floyd kann schon als Zäsur betrachtet werden", sagt auch Juristin Laila Abdul-Rahman, die sich an der Goethe-Universität Frankfurt mit Polizeigewalt beschäftigt, der DW. Auch in Deutschland habe BLM maßgeblich dazu beigetragen, die öffentliche Debatte zu prägen. "Der Diskurs wird jetzt anders geführt, auch in der Wissenschaft". Fünf Jahre später - Versprechen sollen eingehalten werdenFünf Jahre später mischt sich in die anfängliche Hoffnung vieler aber auch Enttäuschung. "Wir haben noch längst nicht die ganze Veränderung erreicht, die den Menschen damals versprochen wurde", sagt Robert Samuels, Co-Autor des Buches "His Name Is George Floyd", im Gespräch mit der DW. "Die USA haben es nicht geschafft, sich dauerhaft und aktiv dafür einzusetzen, dass Gleichheit herrscht und alle die gleichen Chancen erhalten". Diese Ernüchterung spiegelt sich auch in Umfragen wider: Während 2020 noch 52 Prozent der US-Amerikaner glaubten, dass der neue Fokus das Leben schwarzer Menschen verbessern würde, zeichnet sich laut dem Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center fünf Jahre später ein anderes Bild. Nur noch 27 Prozent sagen, es habe tatsächlich zu positiven Veränderungen geführt. 72 Prozent sehen keine Verbesserungen. Trumps Verordnungen - für BLM ein RückschlagDas könnte auch mit Donald Trumps Politik zu tun haben: Kurz nach seinem Amtsantritt ordnete der US-Präsident an, dass alle Programme zur Förderung von Vielfalt, Teilhabe und Inklusion (DEI) in Bundesbehörden eingestellt werden müssten. Auch Unternehmen und Universitäten wurden unter Druck gesetzt, Richtlinien zur Förderung benachteiligter Gruppen an Universitäten aufgehoben. Außerdem will Trump Schulunterricht über Rassismus und soziale Gerechtigkeit zurückdrängen - zur Not mit dem Entzug staatlicher Fördermittel. Und auch die polizeiliche Ermittlung nach Fällen von Polizeigewalt will die US-Regierung nun in Teilen einstellen. Das Justizministerium kündigte vor einigen Tagen an, es wolle Polizisten in Louisville im Bundesstaat Kentucky sowie in Minneapolis in Minnesota entlasten. Vorwürfe gegen Polizeikräfte in Memphis und vier weiteren Städten kämen ebenfalls auf den Prüfstand. Den Vollzugskräften sei "fälschlich" eine "vorsätzliche Diskriminierung" von Schwarzen unterstellt worden, so das Justizministerium. Das gemeinnützige Projekt "Mapping Police Violence" legte zudem alarmierende Zahlen vor. Demnach seien 2024 in den USA mindestens 1260 Menschen in Polizeihänden gestorben. Das sind mehr als jemals zuvor seit zehn Jahren, und überproportional viele schwarze Menschen. Auch Keyonna Jones sagt, sie habe in den letzten fünf Jahren sechs enge Freunde aus ihrer Nachbarschaft durch Schüsse oder Polizeigewalt verloren. Wie viele Menschen weltweit Opfer von rassistischer Polizeigewalt wurden und ob sich die Zahlen verändert haben, lässt sich schwer beziffern. Laut Menschenrechtsorganisationen würden die Vorfälle oft auch nicht zur Anzeige gebracht. In Brasilien zum Beispiel töteten Beamte "immer wieder Menschen, die keine Bedrohung darstellten - meist junge Schwarze - in der Gewissheit, dass diese Tötungen selten untersucht oder strafrechtlich verfolgt würden", schreibt Amnesty International in einem zuletzt 2024 aktualisierten Bericht. "Überleben ist nichts Neues"Trotzdem, so sagt Robert Samuels, gab es auch positive Veränderungen. Die Art, wie über Rassismus gesprochen wird, habe sich grundlegend gewandelt. Mindestens 16 Bundesstaaten haben die Polizeimethode des Fixierens Verdächtiger mit dem Knie am Hals verboten - genau die Praxis, die George Floyd das Leben kostete. Angesprochen auf Donald Trump flüchtet Keyonna Jones sich in Fatalismus. "Schwarze Menschen haben gelernt, ihr Leben lang - über Jahrhunderte und Jahrzehnte - zu überleben," so die Künstlerin. "Ich bin im Südosten von Washington D.C. aufgewachsen, einem Stadtteil, der oft vergessen und unterversorgt wird. Die Geschichte vom Überleben ist für mich nichts Neues. Deshalb erschüttert es mich kaum, wenn jemand Neues in der Regierung sitzt." |
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Short teaser | Vor fünf Jahren erschütterte George Floyds Tötung die Welt – und machte Black Lives Matter zur globalen Protestbewegung. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/fünf-jahre-george-floyd-wo-steht-black-lives-matter-heute/a-72628737?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Image caption | Ein Graffiti zum Gedenken an George Floyd am Berliner Mauerpark in Berlin - die Proteste breiteten sich weltweit aus | ||
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Item 24 | |||
Id | 72652523 | ||
Date | 2025-05-23 | ||
Title | Trump vs Harvard: Elite-Uni ohne ausländische Studierende? | ||
Short title | Trump vs Harvard: Elite-Uni ohne ausländische Studierende? | ||
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US-Präsident Trump will Einfluss auf US-Universitäten nehmen. Die Elite-Uni Harvard widersetzt sich bisher. Nun droht Washington damit, ausländische Studenten auszuweisen. Allerdings erzielte Harvard einen Etappensieg. Die 1636 gegründete Harvard-Universität gehört zu den renommiertesten Bildungseinrichtungen der Welt und hat zahlreiche Nobelpreisträger und acht US-Präsidenten hervorgebracht. Für den gegenwärtigen Präsidenten Donald Trump jedoch ist Harvard "ein Witz" - und keiner, über den man lachen sollte. Man lehre dort "Hass und Dummheit" und beschäftige "linke Idioten", schrieb Trump Mitte April in einem Post auf seiner eigenen Social-Media-Plattform "TruthSocial" und erklärte, dass die Eliteuniversität deshalb keine öffentlichen Fördergelder mehr erhalten sollte. Prompt froren verschiedene Regierungsorgane 2,2 Milliarden US-Dollar (rund 2 Mrd. Euro) ein, die für die Hochschule vorgesehen waren. Mitte Mai teilte eine Antisemitismus-Taskforce der Regierung der Universitätsleitung mit, dass sie weitere 450 Millionen US-Dollar streiche. Nun hat die Trump-Regierung die Auseinandersetzung weiter eskaliert und Harvard verboten, weiterhin ausländische Studenten anzunehmen und auszubilden. Wie begründet die Trump-Regierung ihr Vorgehen gegen Harvard?Wie Trump selbst und Personen aus seinem Umfeld mehrfach durchblicken ließen, stört sie, dass dort in ihren Augen vor allem linke Inhalte und Ideologien gelehrt und erforscht würden. Allerdings darf die Regierung die freie Meinungsäußerung laut US-Verfassung in nur in wenigen Ausnahmen beschränken. Auf diese beriefen sich unter anderem mehr als 100 US-Universitäten in einem offenen Brief, in dem sie gegen die "beispiellose staatliche Bevormundung und politische Einflussnahme" protestierten. Der juristische Aufhänger für die Fördereinschnitte sind pro-palästinensische Demonstrationen an vielen US-Universitäten, die sich als Reaktion auf Israels Krieg gegen die Hamas formiert hatten. Der Krieg ist Israels Antwort auf den Terroranschlag von Islamisten aus dem Gazastreifen unter Führung der Hamas am 7. Oktober 2023, die in den USA, Deutschland und zahlreichen weiteren Ländern als Terrororganisation angesehen wird. Bei den Protesten in den USA hat es diversen Berichten zufolge antisemitische Übergriffe auf jüdische Studenten gegeben. Warum geht die US-Regierung gerade gegen Harvard so hart vor?Insgesamt hat die US-Regierung rund 60 Hochschulen Fördergelder entzogen oder ihnen dies zumindest angedroht. Im März etwa strich die US-Regierung der Columbia-Universität in New York City 400 Millionen US-Dollar an Förderung. Der Vorwurf: Die Uni-Leitung bleibe "angesichts der anhaltenden Schikanen gegenüber jüdischen Studenten" untätig. Die Columbia University hat gegen den Förderstopp geklagt, ist aber gleichzeitig einer Reihe Regierungsforderungen nachgekommen - darunter denen, das Tragen von Masken bei Protesten zu untersagen, neue Sicherheitsbeamte einzustellen und die Leitung der Abteilung für Nahost-, Südasien- und Afrikastudien neu zu organisieren. Dennoch bekräftigte das US-Ministerium für Gesundheit und Soziale Dienste den Vorwurf. Harvard ist bisher allerdings die einzige Universität, die sich den Forderungen der Regierung offen widersetzt. Die Hochschule in Cambridge, im Speckgürtel von Boston, kann sich die Auseinandersetzung mit der Regierung unter anderem wohl deshalb leisten, weil sie über ein Stiftungsvermögen von mehr als 50 Milliarden Dollar verfügt. Doch genau darauf könnten die neuen Maßnahmen abzielen. Welche neuen Maßnahmen kommen nun auf Harvard zu?Die US-Heimatschutzministerin Kristi Noem hat der Harvard-Leitung eine Frist von 72 Stunden gesetzt, um ihren Protest aufzugeben. Andernfalls werde sie der Universität die Lizenz zur Ausbildung ausländischer Studenten entziehen. Inhaber von Studienplätzen könnten damit sogar ihre Aufenthaltserlaubnis verlieren, wenn sie sich nicht an einer anderen Hochschule einschreiben. Dies könnte für die Hochschule nicht nur einen Verlust internationaler Talente bedeuten. Die rund 6800 Immatrikulierten ohne US-Pass in Harvard zahlen jährlich rund 400 Millionen US-Dollar an Studiengebühren. Für US-Studenten gilt zwar die gleiche Studiengebühr - rund 59.000 US-Dollar pro Jahr. Viele von ihnen erhalten aber ein Stipendium, das aus den Mitteln der Universität kommt. Harvard verdient also im Schnitt mehr an ausländischen Studenten als an einheimischen. Zudem erwägt die US-Regierung, die Steuern auf Kapitalerträge aus Universitätsfonds zu erhöhen. Die Stiftungsvermögen sind größtenteils in Wertpapieren angelegt, die jedes Jahr hunderte Millionen ausschütten. In seiner ersten Amtszeit hatte Trump für Universitäten mit mehr als einer halben Million US-Dollar Stiftungsvermögen pro Studienplatz eine Vermögensgewinnsteuer von 1,4 Prozent eingeführt. Künftige soll es weitere Stufen geben. In der höchsten sollen dann Gewinne aus einem Stiftungsvermögen von mehr als zwei Millionen US-Dollar pro Studienplatz mit 21 Prozent besteuert werden. Laut "USA Today" schätzt der Ökonom Phillip Levine, dass Eliteunis wie Yale, Stanford, MIT, Princeton und natürlich Harvard dadurch jeweils zwischen 400 und 850 Millionen US-Dollar pro Jahr an Steuern zahlen müssten. Was fordert die US-Regierung von Harvard?Die US-Regierung fordert laut einem Schreiben dreier Regierungseinrichtungen an die Universitätsleitung, dass sie bis August 2025 umfassende Reformen verabschiedet, die offensichtlich der - in den Augen der US-Regierung - Dominanz linker Ideologien an den Fakultäten entgegenwirken sollen. So seien unter anderem neue Richtlinien zu erlassen, um die "Macht" von Studenten und Dozenten einzuschränken sowie von Universitätspersonal, das sich "stärker dem Aktivismus als der Forschung widme". Stellen und Studienplätze sollen künftig ausschließlich nach dem Leistungsprinzip vergeben werden; ethnische oder religiöse Merkmale sowie das Geschlecht dürften dabei keine Rolle mehr spielen. Programme für "Diversität, Gleichheit und Inklusion" seien zu beenden. Außerdem sollen die Reformen das Spektrum der Standpunkte erweitern und sicherstellen, dass keine ausländischen Studenten mehr akzeptiert werden, die amerikanischen Werten und Verfassungsinstituten "feindlich" gesinnt seien. Etappensieg - aber wie geht es weiter?Die weitere Entwicklung ist unklar. Am Freitag gab es einen ersten Erfolg für Harvard vor Gericht: Eine Richterin gab der Eliteuniversität recht und stoppte vorerst das Vorhaben der US-Regierung, ausländische Studierende auszuschließen. Die Richterin Allison D. Burroughs kam zu dem Schluss, dass die Universität nachgewiesen habe, dass die Anordnung der Regierung einen "unmittelbaren und irreparablen Schaden" für Harvard bedeute. Die Entscheidung dürfte nur der erste Schritt in einem langen Rechtsstreit sein, denn es handelt sich nicht um ein endgültiges Urteil. |
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Short teaser | US-Präsident Trump will die US-Universitäten umkrempeln. Harvard widersetzt sich, Washington droht mit neuen Schritten. | ||
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Image caption | Mitte April demonstrierten Studierende und Angestellte der Harvard-Universität gegen die Gängelung der Regierung | ||
Image source | AP/dpa/picture alliance | ||
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Item 25 | |||
Id | 72627141 | ||
Date | 2025-05-22 | ||
Title | "Trump scheint das Papstamt zu beeindrucken" | ||
Short title | "Trump scheint das Papstamt zu beeindrucken" | ||
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Religion spielt in der US-Politik immer eine große Rolle. Ein Interview zu Donald Trump und JD Vance, zum Glauben in den USA und dem amerikanischen Papst. Der Eichstätter Theologe Benjamin Dahlke (43) gilt als hervorragender Kenner der katholischen Kirche und Theologie in den USA. Im Interview der Deutschen Welle äußert er sich unter anderem zur Religiosität von Donald Trump und JD Vance - und zum Vorschlag, den Vatikan als Vermittler angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine einzuschalten. DW: Hätten Sie mit einem Papst aus den USA gerechnet? Benjamin Dahlke: Nein, ehrlicherweise nicht. Zwar hatte ich mich mit den Kardinälen aus den USA beschäftigt und bin dabei auf den Namen Prevost gestoßen. Aber es war kaum etwas über ihn bekannt, er kam geradezu aus dem Nichts. So hatte ihn kaum jemand auf dem Schirm. Ich kenne nur einen Theologen, der im Vorfeld der festen Überzeugung war, dass Prevost gewählt würde. Er hat es logisch erschlossen. Leider habe ich nicht auf ihn gehört, sonst hätte ich im Wettbüro viel Geld gewinnen können. Sie haben schon mehrere Forschungsaufenthalte in den USA absolviert und sich schwerpunktmäßig mit der katholischen Theologie dort befasst. Was ist der größte Unterschied zwischen der Theologie und der Katholizität in den USA und in Deutschland? Ebenso wie die amerikanische Gesellschaft sind Theologie und Kirche in den USA in zwei Lager gespalten: Progressive und Konservative stehen sich gegenüber. Einerseits wird eine politisch engagierte Befreiungstheologie vertreten, andererseits wird der mittelalterliche Denker Thomas von Aquin gelehrt. Einerseits setzen sich Gläubige für Migranten und Minderheiten ein, andererseits pflegen sie die Liturgie und lernen den Katechismus. In der einen Kirche gibt es verschiedene Katholizismen. In Deutschland ist das zwar auch immer mehr der Fall. Doch sind die Lager noch einigermaßen beisammen. Dafür ist die Stimmung ziemlich schlecht. In den USA erlebe ich mehr Optimismus und Energie. Können Sie das Phänomen JD Vance erklären, der ja nicht der einzig prominente Konvertit in den USA ist? Vance wuchs in schwierigen Verhältnissen auf. Drogen waren ein Problem. Zuhause wurden evangelikale Prediger im Fernsehen geschaut. Später verabschiedete er sich vom Christentum. Bedingt durch die Beziehung zu seiner jetzigen Frau begann bei ihm allerdings ein Suchprozess: Wie konnte er ein guter Mensch sein? Die Arbeit an sich selbst war sein Thema. Vance kam zum Schluss, dass der Katholizismus ihm hilft, ein guter Mensch zu werden. Die Sakramente sind dabei entscheidend. Durch die Beichte reflektiert man das eigene Leben, die Eucharistie soll einen verwandeln. Vance ließ sich 2019 taufen. In den USA sind auch viele Intellektuelle katholisch geworden. Es geht um eine geprägte, sinnhafte Existenz. Hat Donald Trump, der ja gelegentlich so wirkt, als sei er seine eigene Religion, einen Zugang zu diesem multilateralen und globalen System "katholische Kirche"? Trump hat vor Beginn des Konklaves ein KI-generiertes Bild von sich geteilt, auf dem er als Papst abgebildet war. Darunter stand: "Ich wäre gerne Papst." Ihn scheint das Amt zu beeindrucken, immerhin ist es mit enormer Autorität und großem Prestige verbunden. Außerdem spricht ihn die Ästhetik des Katholizismus offenbar an. Dabei war er einmal Presbyterianer, gehört inzwischen gar keiner Kirche mehr an. Seine Politik "America first" passt allerdings nicht so recht zum Katholizismus, weil dieser universal, umfassend ist und daher Grenzen überschreitet. Die katholische Kirche in den USA legt statistisch zu. Sehen Sie noch weitere Gründe als den bisherigen Zuzug von Menschen aus Mittel- und Südamerika? Jeder dritte US-Katholik, heißt es, spricht Spanisch. Fast alle Pfarreien haben inzwischen Gottesdienste auf Englisch und Spanisch. Priester zu finden, die mit den Menschen aus beiden Gruppen gut umgehen können, stellt eine große Herausforderung dar. Neben der Migration führen Konversionen zu weiterem Zuwachs. Wenn ich in den USA bin, treffe ich immer wieder ehemalige Protestanten, die katholisch geworden sind. Einige Konfessionen sind wegen ethischer Fragen tief gespalten und verlieren deshalb Mitglieder. Beispielsweise zählte die Evangelical Lutheran Church of America 1988 ungefähr 5,2 Millionen Mitglieder, inzwischen sind es 2,7 Millionen. Allerdings kehren viele Katholiken ihrer Kirche den Rücken. Säkularisierung gibt es auch in den USA. Am Rande der Beisetzungsfeierlichkeiten für Papst Franziskus kam es zu einer politisch ausgesprochen wichtigen Begegnung zwischen Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (siehe das Titelfoto). Spielte beim Zustandekommen auch die von Ihnen angesprochene Ästhetik des Katholizismus eine Rolle? Die Begegnung fand ja im Petersdom statt, ein erhabener Ort, der für etwas Größeres steht – und ein Ort des Friedens. Sicherlich wirkt so etwas auf alle Anwesenden. Trump und Selenskyj saßen auf Klappstühlen, konnten sich in die Augen schauen, ohne Akten zwischen sich zu haben oder andere Beteiligte. Viele europäische Beobachter sehen bei Donald Trump und seiner Bewegung keinerlei Verständnis mehr für transatlantische Traditionen und Bindungen. Gelegentlich wirkt es so, als wolle Trump Europa abschütteln. Nun soll der Vatikan eine Vermittlerrolle im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine einnehmen. Wollen die USA, will ihr Präsident da ein Problem abschieben? Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, den Krieg innerhalb eines Tages zu lösen. Das hat offensichtlich nicht geklappt. Ein wenig genervt ist er da schon. Deshalb glaube ich, dass er nicht recht weiterweiß und mit dem Vatikan einen neuen Akteur hereinholen will, um neue Bewegung zu erreichen. Allerdings ist die Bilanz der vatikanischen Diplomatie in den letzten Jahren sehr durchwachsen. Wirkliche Erfolge gab es kaum. Weder im Verhältnis zu China noch im Gaza-Konflikt hat Rom viel erreicht. Deshalb bin ich etwas zurückhaltend. Trotzdem sollte alles Menschenmögliche versucht werden, um den Krieg endlich zu beenden. Benjamin Dahlke (43) ist katholischer Theologe und Professor für Dogmatik an der Katholischen Universität Eichstätt. 2024 veröffentlichte er das Buch "Katholische Theologie in den USA". Dahlke ist katholischer Priester. Das Interview führte Christoph Strack. |
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Short teaser | Religion spielt in der US-Politik immer eine große Rolle. Ein Interview zu Trump und dem Papst und Glauben in den USA. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/trump-scheint-das-papstamt-zu-beeindrucken/a-72627141?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Image caption | US-Präsident Donald Trump (l.) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj trafen sich Ende April im Petersdom in Rom anlässlich der Trauerfeier für Papst Franziskus | ||
Image source | Ukrainian Presidential Press Service/Handout via REUTERS | ||
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Item 26 | |||
Id | 72638007 | ||
Date | 2025-05-22 | ||
Title | Trump hilft den Golfstaaten bei der KI auf die Sprünge | ||
Short title | Trump hilft Golfstaaten bei KI auf die Sprünge | ||
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Bei Donald Trumps Besuch im Nahen Osten wurde eine wahre Flut von Investitionsdeals für künstliche Intelligenz mit Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten abgeschlossen. China könnte ungewollt profitieren. Einer der wichtigsten Termine der jüngsten Reise von US-Präsident Donald Trump in den Nahen Osten war ein hochkarätiges Mittagessen am königlichen Hof in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad. Die Liste der Gäste, die sich Trump und dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman anschlossen, fiel ins Auge. Neben Tesla-Chef Elon Musk waren einige der größten Namen im Bereich der weltweit führenden künstlichen Intelligenz (KI) vertreten - Jensen Huang von Nvidia, Sam Altman vom ChatGPT-Entwickler OpenAI, Google-Präsidentin Ruth Porat und Amazon-CEO Andy Jassy, um nur einige zu nennen. Ihre gemeinsame Präsenz ergab bald Sinn, als mehrere US-Techkonzerne während des Trump-Besuchs eine Reihe von Vereinbarungen mit Saudi-Arabien über die Finanzierung von KI im Wert von mehreren Dutzend Milliarden US-Dollar ankündigten. Überraschenderweise erklärte sich Nvidia dazu bereit, Hunderttausende von High-End-Chips an Humain zu verkaufen, ein neues, staatlich unterstütztes saudisches KI-Unternehmen, das erst am Tag vor Trumps Ankunft vorgestellt wurde. In der Zwischenzeit haben auch der Chipdesigner Advanced Micro Devices (AMD) und der Chiphersteller Qualcomm große Zusagen gemacht. China-Falken in AlarmbereitschaftDies geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem Saudi-Arabien seine Investitionen in künstliche Intelligenz erhöht und die Trump-Regierung versucht, die Vormachtstellung der USA beim maschinellen Lernen und der Produktion von High-End-Halbleitern zu zementieren. Karen E. Young, Nahost-Expertin am Center on Global Energy Policy der Columbia University in New York, glaubt, dass die USA und Saudi-Arabien natürliche Partner sind, wenn es um künstliche Intelligenz geht, da Riad in der Lage ist, riesige Rechenzentren zu bauen und zu betreiben. "Sie sind in der Lage, eine enorme Stromversorgung aus Gas und Solarenergie bereitzustellen. Sie sind schnell in der Umsetzung, wenn es um regulatorische Fragen geht und können Rechenzentren oder Kraftwerke schnell bereitstellen. Das verschafft ihnen einen Vorteil", sagte sie der DW. Dennoch hat die Deal-Orgie in Washington zu Kritik geführt, auch aus der Trump-Regierung. Das Argument der Kritiker ist, dass die Lieferung von High-End-Chips an die Länder des Nahen Ostens letztlich China im globalen Wettlauf um die KI-Vorherrschaft mit den USA zugute kommen könnte. China unterhält enge wirtschaftliche und politische Verbindungen in den Nahen Osten, und einige glauben, dass Chips, die von den USA in die Region verkauft werden, am Ende in China landen könnten. Um KI-fähige Chips in den Nahen Osten zu verkaufen, hat die Trump-Regierung die 2024 von Ex-Präsident Joe Biden eingeführten Exportverbote für Länder wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) abgeschafft. Unternehmen wie Microsoft und Nvidia hatten diese sogenannte "AI Diffusion Rule" kritisiert und gesagt, sie ersticke Innovationen. Allerdings hat erst Mitte Mai der Sonderausschuss des US-Repräsentantenhauses über die Kommunistische Partei Chinas ein neues Gesetz eingeführt, "um zu verhindern, dass fortschrittliche US-KI-Chips in die Hände von Gegnern wie der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) fallen". Für Martin Chorzempa, China-Experte am Peterson Institute for International Economics, hängt die Frage, ob China profitiert, davon ab, ob es den Zugang nur zu den Chips oder auch zu den Modellen habe, die mit ihnen betrieben werden. "Es besteht die Sorge, dass China in der Lage sein könnte, die Chips entweder selbst umzuleiten oder sich aus der Ferne Zugang zu ihnen zu verschaffen", sagte er der DW. David Sacks, Vorsitzender von Trumps Beraterrat für Wissenschaft und Technologie und selbsternannter KI-Zar des Weißen Hauses, wehrte sich in einem Beitrag auf der Messaging-Plattform X vehement gegen die Kritik, dass die Golf-Deals China zugute kommen könnten. Die Alternative bestehe darin, "kritische, geostrategische, ressourcenreiche Freunde und Verbündete aus unserem KI-Ökosystem auszuschließen", schrieb er und fügte hinzu: "Jedes Land wird an der KI-Revolution teilnehmen wollen. Wenn wir uns auf ihre Seite stellen, werden wir sie in unsere Umlaufbahn ziehen. Wenn wir sie ablehnen, treiben wir sie in die Arme Chinas." Golfstaaten machen Ernst mit KI"Saudi-Arabien nimmt KI als strategischen Sektor für die Diversifizierung sehr ernst", sagte Karen E. Young. "Es spielt seine Stärken in Bezug auf eine reichhaltige Energieversorgung aus und ermöglicht dem Königreich eine Brücke zur künftigen Energienachfrage." Sie ist der Meinung, dass die VAE in Sachen KI "wahrscheinlich weiter fortgeschritten" sind als Saudi-Arabien, weil sie schon früher die Entwicklung vorangetrieben haben. Ein weiteres Abkommen, das während Trumps Golfreise angekündigt wurde, stellt die Weichen für den Bau des größten KI-Campus außerhalb der USA. Das Abkommen sieht dabei auch die Lieferung von fortschrittlichen Chips "made in USA" an die Emirate vor. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben einen Technologiekonzern namens G42 als wichtigsten KI-Ableger gegründet, in den Microsoft bereits mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar (1,34 Milliarden Euro) investiert hat. Für US-Unternehmen, die auf der Suche nach Investitionen sind, werden die Golfstaaten wegen des dortigen Entwicklungseifers und ihrer milliardenschwerden Staatsfonds zunehmend attraktiver. Humain, das neue saudische KI-Vehikel, befindet sich vollständig im Besitz des Public Investment Fund (PIF) des Landes, der über fast eine Billion US-Dollar verfügt. Der PIF hat zuvor andere KI-Projekte gestartet, während der staatliche Ölkonzern Saudi Aramco Partnerschaften mit den US-Chipherstellern Cerebras und Groq eingegangen ist. "Diese Orte haben zwei der wichtigsten Zutaten, um zu großen KI-Mächten zu werden. Es fehlen jetzt nur noch Computer und Talente", sagte Martin Chorzempa. "Aber mit genug Macht, Kapital und es scheint, dass es bald Chips gibt, könnten die Talente dorthin strömen." Laut Karen E. Young ist der Zugang zu fortschrittlicher Technologie eine "nationale Priorität" für Saudi-Arabien. Trumps Bereitschaft, sich zu engagieren und die US-Unterstützung als "Transaktionsthema und nicht als Sicherheitsproblem oder politische Herausforderung" zu sehen, helfe diesem Ziel. Aber auch wenn die Flut von Investitionen den Golfstaaten dabei hilft, zu wichtigen KI-Hubs der Zukunft zu werden, glauben Experten, dass es nicht automatisch eine "Win-Win-Situation" sein wird. Chorzempa zum Beispiel sieht die Gefahr, dass lokale Unternehmen, die nicht an Kapital- oder Energiekonzerne gebunden sind, eigene Modelle entwickeln könnten, um mit den USA zu konkurrieren. Er weist auch auf die Möglichkeit hin, dass China nicht unbedingt davon profitieren wird, wenn es an die Chips kommt, sondern indem Peking seine Leute in die Region schickt, um dort zu arbeiten und zu lernen. "Eine der interessantesten Fragen ist, ob chinesische KI-Talente, die erstklassig sind und möglicherweise nicht in die USA kommen können, durch die Arbeit im Nahen Osten Zugang zu der Hauptzutat erhalten können, die ihnen fehlt - Chips", sagte er. "Dies wird eine zentrale Sorge der USA sein." |
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Short teaser | Trumps Besuch im Nahen Osten war geprägt von einer wahren Flut von KI-Investitionsdeals. China könnte davon profitieren. | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/trump-hilft-den-golfstaaten-bei-der-ki-auf-die-sprünge/a-72638007?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Item 27 | |||
Id | 72603311 | ||
Date | 2025-05-20 | ||
Title | Trump und Putin: "Dröhnende Leere" nach Ukraine-Gespräch | ||
Short title | Trump und Putin: "Dröhnende Leere" nach Ukraine-Gespräch | ||
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Zum dritten Mal seit seinem Amtsantritt hat US-Präsident Trump mit Russlands Staatschef Putin telefoniert. Die Ergebnisse interpretieren beide unterschiedlich. Stecken die Ukraine-Verhandlungen in einer Sackgasse? Zwei Stunden lang redeten US-Präsident Donald Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin am Montagabend miteinander. Während Trump schon im Vorfeld von einem "sehr wichtigen Tag” sprach, telefonierte Putin nicht einmal aus dem Kreml. Er war aus einer Schule am Stadtrand von Sotschi in Russlands Süden zugeschaltet, wie der Pressedienst Putins vermeldete. Schon vor ihrem Telefonat konnte so leicht der Eindruck entstehen, dass Washington diesem Gespräch weit mehr Bedeutung beimaß als Moskau - und dieser Eindruck sollte sich auch danach nicht ändern. Überschwänglicher Trump, nüchterner PutinDenn die Reaktionen der beiden auf ihren telefonischen Austausch hätten kaum unterschiedlicher sein können: Trump reagierte geradezu überschwänglich und sprach von großen Fortschritten: Russland und die Ukraine würden unverzüglich direkte Friedensverhandlungen aufnehmen, so der US-Präsident. Die Bedingungen würden zwischen den beiden Parteien ausgehandelt. Russland wolle mit den USA Handel treiben, sobald das "Blutbad" in der Ukraine vorbei sei und könne dabei eine riesige Anzahl von Arbeitsplätzen schaffen und eine Menge Geld verdienen. Das Potenzial dafür sei grenzenlos. Auch die Ukraine könne vom Handel profitieren, wenn das Land wiederaufgebaut werde. Putin dagegen reagierte deutlich nüchterner: Das Gespräch sei "offen, informativ und nützlich" gewesen. Russland trete für eine friedliche Lösung ein und sei bereit, mit der Ukraine an einem "Memorandum für ein künftiges Abkommen” zu arbeiten - wie genau dieses aussehen soll, ließ der russische Staatschef jedoch offen. In Ton und Inhalt unterschieden sich diese beiden Reaktionen "radikal" voneinander, analysiert die russische Amerikanistin Alexandra Filipenko im Gespräch mit der DW. Ihr zufolge habe das Gespräch selbst niemanden weitergebracht: "Sie haben - wie so oft - vereinbart, weiter zu vereinbaren.” Putins zementiert seine PositionFilipenko weist darauf hin, dass Putin in seiner Reaktion wieder einmal davon gesprochen habe, dass die "Ursprünge des Kriegs” beseitigt werden müssten. Gemeint ist der Verzicht der Ukraine auf eine NATO-Mitgliedschaft und die Anerkennung der von Russland annektierten Regionen als russisches Territorium. Diese Forderungen Moskaus hat Kyjiw aber bereits als inakzeptabel zurückgewiesen. Im Vergleich zu 2022, so die Politologin, sei Putin "keinen Zentimeter von seinen Positionen abgerückt”. Im Gegenteil habe der Kremlchef "seine Position zementiert. Von einem Durchbruch kann man hier überhaupt nicht sprechen.” Der in Wien ansässige russische Politikexperte Michail Komin bezeichnet die Reaktionen Putins und Trumps als "dröhnende Leere”. Beide wüssten, dass sie nicht in der Lage seien, sich gegenseitig von ihren Argumenten zu überzeugen. Im DW-Interview wundert er sich: "Was haben die zwei überhaupt zwei Stunden lang besprochen?” Komin vermutet, dass es in Wirklichkeit um ganz andere Themen gegangen sei. Vor allem um die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und den USA, "wenn sich Trump schon jetzt so sehr darauf freut, künftig Handelsbeziehungen mit Russland aufzunehmen.” Für die Ukraine und ihre europäischen Verbündeten bedeute das nichts Gutes, "weil der Plan von Wladimir Putin, Verhandlungen hinauszuzögern, aufgeht.” Dieser Plan bestünde aus zwei Punkten: Erstens Trump nicht zu reizen, um zu verhindern, dass er die Ukraine stärker unterstütze. Dabei gehe es um zusätzliche Sanktionen gegen Russland oder neue, größere Waffenlieferungen für die Ukraine. "Der Kreml will, dass Trump zumindest neutral bleibt,” analysiert Komin. Und das gelinge ihm. Der zweite Punkt in Putins Strategie sei, mit nichts einverstanden zu sein, alles zurückzuweisen, keine Kompromisse einzugehen und den Angriff auf die Ukraine fortzusetzen. Der Kreml sehe keine Gründe, den Krieg jetzt zu beenden, weil sich seiner Meinung nach die Dinge an der Front zu Russlands Gunsten entwickeln würden. Auch von einer globalen Isolation Russlands könne keine Rede sein. In dieser Hinsicht sei auch das "Memorandum" mit der Ukraine, zu dessen Unterzeichnung Putin wie angekündigt bereit sei, eben nur eine Art Absichtserklärung, kritisiert Filipenko und nennt das Papier nutzlos, weil es zu nichts verpflichte. Trump-Show für die eigenen Wähler?Trumps begeisterte Reaktion auf das Telefonat mit Putin sei daher mehr eine Show für die eigenen Wähler daheim gewesen, stellt Filipenko fest. Und das sei überhaupt nichts Besonderes, "weil Donald Trump eben immer so spricht.” Die Politologin sieht die weitere Zukunft der Ukraine-Gespräche vielmehr in den Händen des US-Außenministeriums und vor allem des US-Kongresses, der neue Sanktionen als Strafmaßnahmen gegen Russland beschließen könnte. Das sei aber Zukunftsmusik. Zurzeit gäbe es keinen Druck auf Putin, so Filipenko. Trump hätte mit Sanktionen drohen können, "stattdessen spricht er von Handelsmöglichkeiten, um Putin in Friedenverhandlungen hineinzuziehen.” Der US-Präsident behaupte, dass er Frieden durch Handel erreichen könne. Nur: "Auf jemanden wie Wladimir Putin macht eine solche Taktik überhaupt keinen Eindruck. Er ist sich absolut sicher, dass er so oder so alle nötigen Verträge abschließen wird.” Filipenko sieht keine Chance für einen baldigen Frieden in der Ukraine und betont nochmals die Wichtigkeit der Entscheidungen des US-Kongresses. Spätestens jetzt, da es klar sei, dass Putin Trump an der Nase herumführe, müsste der US-Kongress etwas unternehmen, ist sie überzeugt. Ansonsten sehe es schlimm für die Ukraine aus. Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, Putin habe mit Trump von Krasnodar aus telefoniert; tatsächlich war es die Stadt Sotschi in der Region Krasnodar. Dies wurde am Veröffentlichungstag korrigiert. |
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Short teaser | Bei der Bewertung ihres Gesprächs gehen beide Staatschefs weit auseinander. Stecken die Ukraine-Gespräche fest? | ||
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Item URL | https://www.dw.com/de/trump-und-putin-dröhnende-leere-nach-ukraine-gespräch/a-72603311?maca=de-VEU-Volltext-Blickpunkt-Lateinamerika-12973-html-copypaste | ||
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Image caption | Zwei Stunden lang haben der russische Staatschef Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump telefoniert (Archivfoto) | ||
Image source | Kremlin Pool/Russian Look/picture alliance | ||
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Item 28 | |||
Id | 72534877 | ||
Date | 2025-05-14 | ||
Title | José Mujica - Der bescheidenste Präsident der Welt | ||
Short title | José Mujica - Der bescheidenste Präsident der Welt | ||
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Kein anderer Politiker wurde für seine Bodenständigkeit so gefeiert wie José "Pepe" Mujica. Vom Blumenzüchter stieg er zum Präsidenten von Uruguay auf. Nun ist er mit 89 Jahren gestorben. 12.500 Dollar bekam er zum Höhepunkt seiner Karriere als Präsident von Uruguay. Doch nur ein Zehntel davon nahm er an. Den Rest spendete José Mujica. 1250 Dollar seien "mehr als genug", sagte der Mann, der sich selbst als "Erdklumpen mit zwei Pfoten" bezeichnete, weil er von und für die Erde lebe und die Feldarbeit für ihn Freiheit bedeute. Unterwegs war Mujica meist mit seinem hellblauen VW-Käfer. Den wollte er trotz eines Millionengebots nicht verkaufen. Dass er es einmal zu solch einer Popularität bringen würde, damit hatte der Landwirt aus dem Westen von Montevideo nicht gerechnet - und wahrscheinlich war es auch nie sein Ziel. "Ich bin ein Zoon politikon", ein politisches Wesen, sagte er einmal in Anspielung an Aristoteles in einem Interview mit der Deutschen Welle. "Seit meinem 14. Lebensjahr bin ich in der Politik. Und wenn ich nicht blöde werde, mache ich Politik, bis sie mich mit den Füßen voran raustragen." Das war im Jahr 2015 - kurz vor dem Ende seiner Präsidentschaft. Da lag der turbulenteste Teil seines Lebens schon lange zurück. Vom Untergrund in die EinzelhaftJosé Mujica kam 1935 in Montevideo als Sohn einer baskisch-italienisch-stämmigen Bauernfamilie zur Welt. Die Verhältnisse waren einfach, der Vater starb früh und Mujica arbeitete mit seiner Schwester von klein auf in der elterlichen Blumenzucht. Dennoch ging er zur Schule und machte Abitur. Sein Jura-Studium brach er ab, engagierte sich aber zunehmend in der Studentenbewegung. Es dauerte nicht lange und Mujica gründete mit anderen die Stadtguerilla Tupamaros. Zu dieser Zeit, Anfang der 1960er Jahre, herrschte in Uruguay Massenarbeitslosigkeit. Mujica träumte von "einer Gesellschaft ohne soziale Klassen" und überfiel für dieses Ziel mit den Tupamaros Banken, entführte Politiker und legte Bomben. Nach eigener Aussage hat er aber selbst nie getötet. "Wir waren naiv, aber man soll sein Ziel nicht aus den Augen verlieren", sagte Mujica in einem Interview mit der DW. Seine Ziele brachten ihn ins Gefängnis. 1971 wurde er nach einer Schießerei mit der Polizei wegen Polizistenmordes verurteilt. 14 Jahre verbrachte Mujica in Haft - die letzten davon in einer Einzelzelle und unter Folter. Diese Phase des Lebens sei "Routine für die, die sich entscheiden, die Welt zu verändern", sagte er später. "In den Jahren im Gefängnis hatte ich viel Zeit, mich kennenzulernen", so Mujica. Aus der Einzelhaft ins Präsidentenamt1985, nach dem Ende der zwölfjährigen Militärdiktatur, wurde ein Amnestiegesetz verabschiedet, durch das Mujica und andere politische Gefangene freikamen. Mit der ebenfalls freigelassenen Lucía Topolansky - seiner späteren Frau - zog er auf einen kleinen Hof, verkaufte Tomaten und Chrysanthemen und machte Politik. Aus den Tupamaros ging die Links-Partei Movimiento de Participación Popular hervor. Zehn Jahre nach seiner Haftentlassung zog Mujica als Abgeordneter ins Parlament ein. Einer überlieferten Geschichte zufolge fuhr er an seinem ersten Arbeitstag mit dem Moped zum Parlament. "Bleiben Sie lange?", soll der Portier gefragt haben, der ihn für einen Kurier hielt. "Ich hoffe, ja", antwortete Mujica. Seine Hoffnung sollte sich erfüllen. 2005 stellte das Linksbündnis Frente Amplio mit Tabaré Vázquez erstmals den Präsidenten. Mujica wurde Landwirtschaftsminister. Fünf Jahre später stimmten 52 Prozent der Wähler für José Mujica als Präsident. Authentizität als TrumpfAuch im höchsten Amt des Staates blieb sich Mujica in vielem treu. Zu Sitzungen des Kabinetts erschien er oft mit Strickjacke, Sandalen und alten Hosen. Eine Krawatte trug er nie, auch nicht bei offiziellen Anlässen. Als er 2014 zu Gast im Weißen Haus war, trug er zwar einen Anzug mit Weste, doch der war ihm etwas zu kurz. Dennoch, oder gerade deshalb, attestierte ihm sein Gastgeber Barack Obama "eine hohe Glaubwürdigkeit". "Er ist schlicht, die Leute erkennen sich in ihm, und deshalb löst er so viel Begeisterung und Hoffnung aus", sagte der Schriftsteller Eduardo Galeano über seinen Landsmann. Das Experiment von UruguayAls Präsident krempelte der bekennende Atheist das Land um. Er legalisierte Homoehe und Abtreibung. Damit war er der Zeit in Lateinamerika weit voraus. In der Logik des José Mujica war das weder links noch liberal: "Die Welt muss gewisse Dinge, die unabänderlich sind, akzeptieren", sagte er. Auch sozio-ökonomisch war er durchaus erfolgreich: Während seiner Präsidentschaft sanken Arbeitslosigkeit, Armut und Kindersterblichkeit. Sein wohl umstrittenstes Projekt war die Freigabe von Cannabis zu Freizeitzwecken. In einem kleinen Land wie Uruguay könne man so etwas austesten, so Mujica. Das Experiment läuft bis heute - andere Länder wie Kanada und viele US-Bundesstaaten haben nachgezogen. Doch nicht alle seine Pläne hat Mujica umsetzen können. Die von ihm großangekündigte Bildungsreform blieb ebenso auf der Strecke wie große Infrastrukturprojekte. Und auch damit musste er sich abfinden: Die Linke warf ihm beim Thema Landwirtschaft und Rohstoffe einen Kuschelkurs mit den großen Konzernen vor. Ein ganz und gar untypischer PolitikerDennoch war Mujica wegen seiner bescheidenen Art - anders als so viele andere Staatsoberhäupter in Lateinamerika - über eines weitgehend erhaben: Korruptionsverdacht. Und so waren es wohl seine Nahbarkeit und sein Pragmatismus, die dafür sorgten, dass man ihm so manchen verbalen Ausrutscher entschuldigte. Beispielsweise, als Mujica die Funktionäre der Fifa nach dem WM-Aus seiner Nationalelf als "Haufen von Hurensöhnen" bezeichnete. Auf der politischen Bühne vermittelte er zuletzt 2016 bei den Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen FARC-Guerilla und Kolumbiens Regierung auf Kuba. Aber bis kurz vor seinem Tod mischte er sich in viele Debatten ein. Auch im spanischsprachigen Programm der DW äußerte Mujica sich zu aktuellen politischen Themen in einer eigenen Sendung mit Titel "Conciencia Sur" - übersetzt "Das Bewusstsein des Südens". Journalisten empfing er am liebsten im Garten oder im Arbeitszimmer seines kleinen Hauses, von dem bereits die Farbe abblätterte. José "Pepe" Mujica war ein untypischer Politiker. Seine Bescheidenheit wirkte im Vergleich zu anderen Staatschefs der Region fast unwirklich. Damit hat er eine neue politische Kultur vorgelebt. Als arm wollte er sich aber bis zuletzt nicht sehen. So lautet eines seiner bekanntesten Zitate: "Arm ist nicht derjenige, der wenig besitzt, sondern derjenige, der immer mehr braucht." |
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Short teaser | Vom Blumenzüchter zum Präsidenten von Uruguay. Dazwischen Guerilla und 14 Jahre Haft. Nun ist José Mujica gestorben. | ||
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Item 29 | |||
Id | 72493169 | ||
Date | 2025-05-10 | ||
Title | Darum will Bill Gates fast sein ganzes Vermögen abgeben | ||
Short title | Darum will Bill Gates fast sein ganzes Vermögen abgeben | ||
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Multimilliardär Bill Gates erhebt schwere Vorwürfe gegen Elon Musk. Zudem kündigt er an, binnen 20 Jahren fast sein gesamtes Geld für humanitäre Zwecke spenden zu wollen. Aber was macht seinen Reichtum heute aus? Der 69-jährigeMicrosoft-Mitgründer und Großspender Bill Gates hat Tech-Milliardär Elon Musk scharf kritisiert. In einem Interview mit der Zeitung New York Times äußerte er sein Unverständnis für dessen harte Einschnitte bei der US-Entwicklungshilfe-Organisation USAID. Diese seien "atemberaubend" und würden dazu führen, dass "die Zahl der Kinder, die jährlich in armen Ländern sterben, von fünf auf sechs Millionen steigen" werde, erklärte Gates in dem Interview. Dabei hätte es laut Gates in den kommenden Jahren eigentlich einen Rückgang auf jährlich vier Millionen Todesfälle geben müssen. "Der reichste Mann der Welt ist in den Tod der ärmsten Kinder der Welt involviert", sagte Gates mit Blick auf Musk. Der wehrte sich auf seiner Plattform X: "Gates ist ein riesiger Lügner!" Über Stiftung: 200 Milliarden in 20 JahrenGates selbst nimmt wohl unter anderem die Etatkürzungen bei USAID zum Anlass, sein Vermögen noch schneller für wohltätige Zwecke zu spenden als bislang geplant. "Es gibt zu viele dringende Probleme, die gelöst werden müssen, als dass ich Ressourcen zurückhalten könnte, mit denen ich den Menschen helfen könnte", schreibt Gates auf seiner eigenen Webseite. Er werde praktisch sein gesamtes Vermögen in den nächsten 20 Jahren zur Verfügung stellen - für die Rettung und Verbesserung von Leben auf der ganzen Welt. Konkret will er mit dem Geld die Kinder- und Müttersterblichkeit senken, Krankheiten wie Kinderlähmung, Malaria und Masern bekämpfen und die weltweite Armut verringern. Eingesetzt werden sollen seine Gelder über die vor 25 Jahren von ihm und seiner Ex-Frau Melinda gegründete Gates-Foundation. Diese größte Privatstiftung der Welt hat im Kampf gegen Armut und Krankheiten bislang mehr als 100 Milliarden Dollar bereitgestellt. Nun sollen es bis 2045 weitere rund 200 Milliarden sein. Danach, so Bill Gates, solle sich die Stiftung auflösen. Multimilliardär mit etlichen FirmenbeteiligungenBill Gates galt jahrelang als reichster Mensch der Welt. Zwar wurde er mittlerweile von Tech-Milliardären wie Jeff Bezos, Mark Zuckerberg oder Elon Musk überholt, laut aktueller Forbes-Liste der Superreichen rangiert er aber global noch immer auf Platz 13 - geschätztes Vermögen: 108 Milliarden US-Dollar. Basis seines Reichtums war der Software-Gigant Microsoft, spätestens dessen Börsengang im Jahr 1986 machte Gates zum Multimillionär, dessen Vermögen über die Jahre weiter anwuchs. Nach und nach hat Gates allerdings sein Vermögen diversifiziert. So trennte er sich über die Jahre von immer größeren Mengen seiner Microsoft-Aktien, mittlerweile soll er nur noch Anteile von weniger als einem Prozent besitzen. Stattdessen hält der aus Seattle stammende Unternehmer über seine Holding Cascade Investment dutzende Beteiligungen an verschiedenen weiteren Firmen, etwa am Abfallentsorgungsunternehmen "Republic Services" und dem Traktorenhersteller "Deere & Co.", aber auch an "Beyond Meat", einer Firma, die pflanzliche Fleischersatzprodukte entwickelt und produziert. Zudem ist Gates der größte private Eigentümer von Ackerland in den USA. Und im Jahr 2006 gründete er "TerraPower", ein Unternehmen, das fortschrittlichere, sicherere und effizientere Kernreaktoren entwickeln soll - mittlerweile hat Gates über eine Milliarde Dollar in diese Firma investiert. Ein Pilotprojekt in Wyoming ist derzeit im Bau und soll bis 2030 in Betrieb gehen. Großes soziales Engagement - nicht immer erfolgreichIm Jahr 2000 gründete Gates zusammen mit seiner damaligen Frau Melinda die Gates-Foundation, in die ein Großteil seiner Milliarden-Gewinne fließt. Mit den Geldern finanziert die Stiftung Projekte in der landwirtschaftlichen Entwicklungshilfe - wenn auch nicht immer mit Erfolg. In Afrika etwa hat sie fast eine Milliarde Dollar in ein Programm gesteckt, das zum Ziel hatte, die landwirtschaftlichen Erträge mithilfe von chemischem Dünger und Hybrid-Saatgut zu verdoppeln und bis 2020 sowohl den Hunger als auch die Armut in 13 afrikanischen Ländern zu halbieren. Erreicht wurde das Ziel nicht - im Gegenteil. Nach einer im Juni 2020 veröffentlichten Studie ist die Zahl der Hungernden in den Schwerpunktländern sogar um 30 Prozent gestiegen. Zweitens unterhält die Gates-Foundation Bildungsprojekte in den USA - mit dem vorrangigen Ziel, Schülerinnen und Schülern aus afroamerikanischen und lateinamerikanischen Familien die Abschlüsse zu erleichtern. Und drittens fördert die Stiftung weltweit die Behandlung und Bekämpfung von Krankheiten wie AIDS, Tuberkulose, Polio oder Malaria. Auch dieses Engagement führte dazu, dass Gates bereits Jahre vor COVID vor den Gefahren einer möglichen weltweiten Pandemie warnte. Auf einer Konferenz im kalifornischen Monterey sagte er schon 2015: "Wenn in den nächsten Jahrzehnten irgendetwas über zehn Millionen Menschen tötet, dann ist es höchstwahrscheinlich eher ein hochansteckendes Virus als ein Krieg. Nicht Raketen, sondern Mikroben." Ziel von VerschwörungstheorienDass Gates seinen Reichtum mit einem Softwareunternehmen erworben hat, sich weltweit sozial engagiert und Impfungen vehement befürwortet, hat ihn auch zum Ziel zahlreicher Verschwörungstheorien werden lassen. Gates selbst fechten solche Diffamierungen nicht an. Er gibt sich fest entschlossen, bis 2045 gut 99 Prozent seines derzeitigen Vermögens für humanitäre Zwecke weltweit auszugeben: "Die Leute werden viel über mich reden, wenn ich tot bin", so Gates auf seiner eigenen Webseite, "aber ich bin dazu entschlossen, dass sie zumindest nicht sagen können: Er ist reich gestorben." |
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Short teaser | Der Multimilliardär will binnen 20 Jahren fast sein ganzes Vermögen spenden. Aber was macht seinen Reichtum heute aus? | ||
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Image caption | Microsoft-Gründer und Multimilliardär: Bill Gates | ||
Image source | Annette Riedl/dpa/picture alliance | ||
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Item 30 | |||
Id | 72267320 | ||
Date | 2025-04-20 | ||
Title | USA: Demokratie unter Druck | ||
Short title | USA: Demokratie unter Druck | ||
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Seit seinem Amtsantritt im Januar fordert US-Präsident Donald Trump auf mehreren Ebenen den amerikanischen Rechtsstaat heraus und testet unaufhörlich dessen Grenzen. Wie sehr ist die US-Demokratie in Gefahr? Gerade einmal drei Monate ist US-Präsident Donald Trump wieder im Amt. Drei Monate, in denen die USA nicht nur innenpolitisch umgewälzt und erschüttert, sondern in denen auch an den Grundfesten der Demokratie gerüttelt wurde. Die renommierte Washingtoner Brookings-Institution konstatierte "gefährliche Risse in den Säulen der US-Demokratie". Angriffe gegen diese Säulen gibt es gleich auf mehreren Ebenen. Einige Beispiele: Streit mit den Universitäten"Harvard ist ein Witz, lehrt Hass und Dummheit und sollte keine Fördermittel mehr erhalten." Dies postete Donald Trump am Mittwoch auf seiner Plattform Truth Social. Es ist die jüngste Eskalation im Streit zwischen der US-Regierung und den Elite-Universitäten des Landes. Entzündet hatte sich der Streit daran, dass Harvard und andere private Hochschulen in den USA angeblich nicht streng genug gegen propalästinensische Proteste gegen den Gazakrieg vorgegangen seien und damit jüdische Studentinnen und Studenten in Gefahr gebracht hätten. Doch die Auseinandersetzung ist längst eskaliert - mittlerweile geht es um die generelle politische Ausrichtung der in den Augen der Trump-Administration als (zu) links wahrgenommenen Eliteunis. Damit diese weiter mit Bundesmitteln gefördert werden, sollen die politischen Ansichten von Studenten und Lehrkräften auf den Prüfstand und der Regierung die Zulassungsdaten aller Studierenden zur Verfügung gestellt werden. Harvards Universitätspräsident Alan Garber widersetzt sich jedoch diesen Forderungen und sieht die Freiheit von Forschung und Lehre in Gefahr. Er erklärte, die Universität sei weder bereit, ihre Unabhängigkeit noch ihre von der Verfassung garantierten Rechte aufzugeben. "Keine Regierung - unabhängig davon, welche Partei an der Macht ist - sollte vorschreiben, was private Universitäten lehren dürfen, wen sie zulassen und einstellen und welchen Studien- und Forschungsbereichen sie nachgehen dürfen.“ Doppeltes Spiel mit der JustizRechtsstaatlichkeit und das Befolgen richterlicher Anordnungen ist einer der Grundpfeiler westlicher Demokratien - doch genau dies steht in den USA vermehrt und immer öfter auf dem Spiel. Zum einen ignorierte die Trump-Administration bereits mehrere Gerichtsurteile und führte Abschiebungen entgegen richterlicher Anordnungen durch. Besonders bekannt wurde der Fall des irrtümlich ins berüchtigte Hochsicherheitsgefängnis CECOT in El Salvador abgeschobenen Kilmar Abrego Garcia. Der Oberste Gerichtshof hatte die US-Regierung angewiesen, sich um eine schnelle Rückführung Garcias in die USA zu bemühen. Geschehen sei bislang nichts, kritisierte Bundesrichterin Paula Xinis bei einer Anhörung. Richter wie James Boasberg, die sich Trumps Regierung entgegenstellen und seine geplanten Abschiebungen aussetzen, werden öffentlich als "durchgeknallte Linksradikale" diffamiert. Trump bedroht sie mit Amtsenthebungsverfahren und liebäugelt damit, diese Juristen durch ihm genehmere Richter zu ersetzen. Gleichzeitig benutzt er das Justizministerium, um gegen seine Kritiker vorzugehen. Schon in seinen ersten Wochen im Amt hatte er dort zahlreiche Mitarbeiter feuern oder strafversetzen lassen, die an Ermittlungen gegen ihn beteiligt waren. So ordnete er im Februar die Entlassung aller noch aus der Biden-Zeit verbliebenen Bundesstaatsanwälte an. Mehreren seiner Anwälte verschaffte er dagegen hochrangige Posten in der Regierung. Einer ist inzwischen Vize-Justizminister. Trump begnadigte außerdem fast alle 1.600 Menschen, die wegen des Kapitolsturms am 6. Januar 2021 verurteilt worden waren. Das Justizministerium besetzte er mit der ihm absolut loyalen Parteigängerin Pam Bondi. Erste Einschränkungen der PressefreiheitKritische Berichterstattung über ihn ist Donald Trump schon länger ein Dorn im Auge. "Sie sind korrupt und illegal", wetterte der US-Präsident bei einer Rede im Justizministerium Mitte März gegen große US-Sender wie CNN oder MSNBC. Er unterstellte ihnen, sie würden "zu 97,6 Prozent" negativ über ihn berichten und seien "der politische Arm der Demokratischen Partei." Bereits im Wahlkampf hatte er damit gedroht, unliebsamen Sendern die Lizenz zu entziehen. Den internationalen US-Medien Voice of America und Radio Liberty hat Trump die Finanzierung komplett gestrichen - sie stehen vor dem Aus. Auch die Akkreditierung der Nachrichtenagentur AP für den Presseraum des Weißen Hauses hat Trumps Administration einkassiert - weil diese sich geweigert hatte, den Golf von Mexiko wie von Trump gewünscht als "Golf von Amerika" zu bezeichnen. Wieder einmal hatte ein Gericht dies für unzulässig erklärt - und wieder einmal wurde dies von der US-Regierung ignoriert; die AP-Journalisten müssen weiter draußen bleiben. Und Donald Trump ging noch weiter: Am Dienstag entzog er der unabhängigen Reportervereinigung des Weißen Hauses (WHCA) die Kontrolle über die Besetzung des sogenannten Korrespondentenpools - jetzt haben neben AP auch die Nachrichtenagenturen Bloomberg und Reuters keinen sicheren Platz mehr bei Pressekonferenzen im Weißen Haus. Umbau des StaatsapparatesAls Trump in seiner Kongressrede erklärte, "die Zeiten ungewählter Bürokraten an der Macht" seien vorüber, erntete er von den Demokraten spöttisches Gelächter. Ist es doch ausgerechnet der nie demokratisch legitimierte Präsidentenberater Elon Musk, der seit Januar US-Verwaltungen und -Behörden effizienter machen und unnötige Ausgaben stoppen soll - und dabei ganz nebenbei den gesamten Staatsapparat auf Trump-Linie trimmt. "Sie gehen nicht in Behörden und Ministerien, die Dinge tun, die sie mögen. Sie gehen in öffentlichen Institutionen, mit denen sie nicht einverstanden sind", kritisierte Douglas Holtz-Eakin, Ex-Direktor des Haushaltsbüros im US-Kongress, schon im Februar. In den Steuer-, Umwelt- und Gesundheitsbehörden, im Pentagon und anderen Ministerien kam es zu Massenentlassungen. Als "linkswoke Steuerverschwendung" wahrgenommene Diversitäts- und Inklusionsprogramme wurden gestoppt, Umweltauflagen zurückgefahren, Sozial- und Gesundheitsausgaben drastisch gesenkt. Die Entwicklungsagentur USAID und andere Behörden wurden zerschlagen - gegen die gängige Rechtsauffassung, dass dazu erst der US-Kongress befragt werden muss. Zudem steht DOGE im Verdacht, mithilfe künstlicher Intelligenz Regierungsmitarbeiter auszuspionieren. In mindestens einer Bundesbehörde soll so die interne Kommunikation überwacht worden sein - angeblich mit dem Ziel, Angestellte herausfiltern und entlassen zu können, die illoyale Bemerkungen gegenüber Trump getätigt haben. Kritiker dieses Vorgehens sprechen sogar von einer "politischen Säuberung" des Staatsapparates |
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Short teaser | Donald Trump testet die Grenzen des Rechtsstaates in den USA - gleich auf mehreren Ebenen. | ||
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Image caption | In Kampfeslaune: US-Präsident Trump, hier bei seiner Rede vor dem US-Kongress Anfang März | ||
Image source | Ben Curtis/AP Photo/picture alliance | ||
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